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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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Menschenkenntnis voraus? »Und Sie haben wirklich nichts von ihr gehört?«
    Boundy schien gar nicht mehr mitzubekommen, was sie sagte.
    »Es wird ihr doch nichts passiert sein, oder?« Er sprach mehr mit sich selbst. »Es ist nicht meine Schuld. Sie taucht bestimmt wieder auf. Ein Mensch verschwindet doch nicht einfach so.«
     
    Karlsson wartete, bis sein Zorn ein wenig verraucht war. Er wollte weder die Beherrschung verlieren noch seine Angst zeigen. Zorn sollte eine Waffe sein, die man gezielt einsetzte, ging ihm durch den Kopf, aber keine Schwäche, die zu Kontrollverlust führte. Alle anderen Emotionen wollte er sich für später aufsparen. Ruhigen Schrittes betrat er den Raum und zog behutsam die Tür hinter sich zu. Nachdem er sich gegenüber von Dean Reeve niedergelassen hatte, betrachtete er ihn ein paar Augenblicke schweigend. Reeve hatte so große Ähnlichkeit mit
dem Mann, der vorhin bei ihm im Auto gesessen hatte, dass man auf den ersten Blick überhaupt keinen Unterschied sah. Beide Männer waren eher klein und stämmig gebaut. Beide hatten ein rundes Gesicht und graues Haar mit einem Wirbel in der Mitte, und bei beiden sah man noch einen Hauch von dem roten Farbton, den ihr Haar einmal gehabt hatte – das Rot von Matthew Faraday und dem Jungen aus Alans Fantasien. Beide hatten schöne braune Augen und eine sommersprossige Haut. Sie trugen sogar beide Karohemden, wobei das von Alan eher blaugrün kariert gewesen war, wenn Karlsson sich richtig erinnerte, während Dean sich für ein farbenfroheres Karo entschieden hatte. Beide Männer kauten an den Fingernägeln und hatten die Angewohnheit, im Sitzen mit den Händen über die Oberschenkel zu reiben und die Beine in kurzen Abständen mal in die eine und mal in die andere Richtung übereinanderzuschlagen. Es war richtiggehend unheimlich – wie ein seltsamer und ziemlich beunruhigender Traum, in dem alles doppelt vorkam oder zumindest stark an etwas anderes erinnerte. Das galt sogar für die Art, wie Dean sich auf die Unterlippe biss. Doch als er dann die verschränkten Arme auf die Tischplatte stützte und zu sprechen begann, erinnerte er Karlsson überhaupt nicht mehr an seinen Zwillingsbruder, auch wenn beide die gleiche, leicht gedämpft klingende Stimme hatten.
    »So schnell sieht man sich wieder«, stellte er fest.
    Karlsson hatte eine Aktenmappe dabei. Er nahm ein Foto heraus und platzierte es so auf dem Tisch, dass Reeve es richtig herum vor sich liegen hatte. »Sehen Sie sich das an«, forderte er ihn auf.
    Dabei beobachtete er genau Reeves Mienenspiel, weil er auf eine Reaktion hoffte, eine Spur von Wiedererkennen im Blick, doch da war nichts.
    »Ist er das?«, fragte Reeve. »Der Junge, nach dem Sie suchen?«
    »Lesen Sie denn keine Zeitungen?«

    »Nein.«
    »Und die Nachrichten im Fernsehen verfolgen Sie auch nicht?«
    »Ich schaue mir nur Fußballspiele an. Terry mag am liebsten die Kochsendungen.«
    »Und was ist mit diesem Foto? Haben Sie dieses Mädchen schon mal gesehen?«
    Karlsson legte das alte Foto von Joanna auf den Tisch. Reeve betrachtete es ein paar Sekunden und zuckte dann mit den Schultern.
    »Ist das ein Nein?«
    »Wer soll das sein?«
    »Wissen Sie es nicht?«
    »Wenn ich es wüsste, würde ich Sie dann fragen?«
    Reeve sah Karlsson nicht an, wich seinem Blick aber auch nicht aus. Manche Leute brachen sofort zusammen, sobald man sie zu verhören begann. Anderen merkte man an, dass sie unter Druck standen: Sie schwitzten, stolperten über ihre Worte oder plapperten hektisch vor sich hin. Karlsson begriff schnell, dass Reeve zu keiner dieser beiden Gruppen zählte. Wenn sich sein Gesichtsausdruck überhaupt irgendwie beschreiben ließ, dann höchstens als gleichgültig oder vielleicht sogar leicht amüsiert.
    »Haben Sie dazu denn gar nichts zu sagen?«, wandte Karlsson sich erneut an ihn.
    »Sie haben mir keine Frage gestellt.«
    »Haben Sie den Jungen schon mal gesehen?«
    »Diese Frage habe ich Ihnen schon beantwortet, als sie mich das letzte Mal zu Hause besucht haben, und seitdem ist er mir auch nicht über den Weg gelaufen.«
    »Wissen Sie etwas über seinen Verbleib?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie am Freitag, den dreizehnten November, gegen vier Uhr nachmittags?«

    »Das hatten wir doch auch schon mal. Sie stellen mir wieder genau die gleichen Fragen. Und ich werde Ihnen die gleiche Antwort geben: Ich weiß es nicht. Das ist so lange her. Wahrscheinlich war ich arbeiten oder auf dem Heimweg von der Arbeit. Vielleicht

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