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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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dunklen Haare und Augen. Mit ihrer lebhaften Art brachte sie ein wenig Melodramatik in die Klinik – sogar an ruhigen Tagen. Im Moment machte sie den Eindruck, als hätte sie etwas besonders Dringendes auf dem Herzen.
    »Ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen«, brach es aus ihr heraus. »Hast du mit Reuben gesprochen?«
    »Das weißt du doch. Warum? Was hat er denn wieder angestellt ?«
    »Zum einen ist er heute Nachmittag einfach nicht zu den Terminen mit seinen Patienten erschienen. Außerdem kann ich ihn nicht erreichen.«
    »Das klingt in der Tat nicht gut.«
    »Da ist noch mehr. Dieser Patient.« Paz blickte auf ihre Unterlagen. »Es ging ihm ziemlich schlecht, er hatte Panikattacken und wurde deshalb von seinem Hausarzt an Reuben überwiesen. Bei der ersten Sitzung ist irgendetwas schiefgelaufen. Richtig schief. Der Mann will sich an offizieller Stelle beschweren.«
    »Weswegen denn?«
    »Er behauptet, Reuben habe kein Wort von dem mitbekommen, was er ihm erzählt hat.«

    »Und was sagt Reuben dazu?«
    »Gar nichts. Wahrscheinlich glaubt er, er kommt damit durch. Vielleicht schafft er das ja auch. Aber er hat bei diesem Patienten gepfuscht, und darüber war der Mann sehr wütend. Extrem wütend.«
    »Bestimmt findet sich eine Lösung für das Problem.«
    »Genau darum geht es, Frieda. Tut mir leid, dass ich dir das aufhalsen muss. Aber ich habe ihn mehr oder weniger schon dazu überredet – Alan Dekker, meine ich –, mit seiner Beschwerde zu warten, bis er mit dir gesprochen hat. Ich dachte mir, du könntest ihn vielleicht übernehmen.«
    »Als Patient?«
    »Ja.«
    »Lieber Himmel«, meinte Frieda, »kann Reuben sich denn nicht selbst um sein Schlamassel kümmern?« Paz gab ihr keine Antwort, sondern warf ihr lediglich einen flehenden Blick zu. »Hast du schon mit Reuben darüber gesprochen?«, fuhr Frieda fort. »Ich kann ihm nicht einfach seinen Patienten wegnehmen.«
    »Mehr oder weniger.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es soll heißen, dass man im Moment nicht viel aus ihm herausbekommt. Aber wenn ich ihn richtig verstanden habe, möchte er, dass du den Mann übernimmst. Falls es dir recht ist.«
    »Also gut, also gut! Ich schätze, ich kann ihn mir ja mal ansehen.«
    »Morgen?«
    »Morgen ist Samstag. Er kann am Montag einen Termin haben. Um halb zwei in meiner Praxis.«
    »Danke, Frieda.«
    »In der Zwischenzeit solltest du Reubens Terminkalender durchsehen. Vielleicht wäre es sinnvoll, weitere Patienten an Kollegen abzugeben.«

    »Du meinst, es geht ihm so schlecht?«
    »Vielleicht war Alan Dekker bloß der Erste, der es gemerkt hat.«
    »Das wird Reuben nicht gefallen.«
     
    Jeden Freitag ging Frieda zu Fuß nach Islington, um ihrer Nichte Chloë einen Besuch abzustatten. Sie besuchte sie nicht zum Vergnügen: Chloë war gerade sechzehn geworden und würde im Juni ihre Abschlussprüfung machen, und Frieda gab ihr Nachhilfe in Chemie, einem Fach, das Chloë (die sich vorstellen konnte, selbst ebenfalls Ärztin zu werden) mit einer Mischung aus Abscheu und Wut betrachtete, fast als handelte es sich dabei um eine Person, die es auf sie abgesehen hatte. Der Vorschlag war von Chloës Mutter Olivia gekommen, aber Frieda hatte sich erst bereit erklärt, nachdem sich ihre Nichte selbst – wenn auch widerstrebend – eine wöchentliche Nachhilfestunde verordnet hatte, am Freitagnachmittag von halb fünf bis halb sechs. Chloë hatte sich nicht immer daran gehalten. Einmal war sie überhaupt nicht aufgetaucht (nach Friedas heftiger Reaktion hatte sie das kein zweites Mal gewagt), und des Öfteren erschien sie mit einiger Verspätung. Missmutig knallte sie dann ihre Ordner inmitten von Stapeln ungespülten Geschirrs und ungeöffneter Rechnungen auf den Küchentisch und funkelte ihre Tante, die ihre Launen ignorierte, wütend an.
    Heute würden sie die kovalente Bindung durcharbeiten. Chloë hasste die kovalente Bindung ebenso wie die Ionenbindung. Gleichungen mochte sie auch nicht, und ganz besonders verabscheute sie die Berechnung von Molekulargewicht. Während sie Frieda nun gegenübersaß, hing ihr das dunkelblonde Haar ins Gesicht, und sie hatte die Ärmel ihres übergroßen Kapuzenshirts über die Hände gezogen, sodass nur die Finger mit den schwarz lackierten Nägeln hervorlugten. Frieda fragte sich, ob sie etwas verbergen wollte. Knapp ein Jahr zuvor hatte
Olivia völlig aufgelöst bei Frieda angerufen und ihr erzählt, dass Chloë sich ritzte. Sie benutzte dazu die Klinge ihres

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