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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Hohwacht verbracht. Sie schilderte minutiös, wie sie das Wochenende verbracht hatte. Allein die Aufzählung entlockte Broders schon ein heimliches Gähnen.
    Frau Michaelis hatte keinen Anruf von ihrem Mann erwartet, weil er sich angeblich nie meldete, wenn er auf dem Wasser war. Am Sonntagabend war Frau Michaelis relativ früh zu Bett gegangen, und so hatte die Wasserschutzpolizei sie spät abends wachgeklingelt, um sich nach ihrem Mann zu erkundigen und von der Havarie der Juvenile zu berichten.
    In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte sie noch gehofft, dass ihr Mann lebend geborgen werden würde oder sich alles als schrecklicher Irrtum herausstellte.
    Richtig klar geworden sei ihr das alles erst, als seine Arzthelferin vormittags anrief und aufgeregt anfragte, wann ihr Chef denn endlich aufkreuzen würde, sie hätte das Wartezimmer voller Patienten sitzen.
    »Wissen Sie, das war das Alarmsignal. Seine Patienten hat Holger nie vernachlässigt. Erst von diesem Zeitpunkt an war ich mir sicher, dass etwas Schreckliches passiert sein musste!«
    Was für ein Armutszeugnis sie damit ihrer Partnerschaft ausstellt, scheint ihr nicht einmal bewusst zu sein, dachte Broders mit einer gewissen Befriedigung. Es waren diese angeblichen Vorbildfamilien, deren Enttarnung ihm manchmal direkt Vergnügen bereitete.
    Viele seiner Kollegen und Freunde sahen mitleidig auf sein Privatleben herab. Es erschien ihnen wohl armselig, dass er dauerhaft allein und ohne Partner lebte, regelmäßig einmal in der Woche seine Mutter besuchte und sogar Weihnachten und Ostern mit ihr verbrachte. Aber war das hier nicht viel armseliger? Was nach außen wie eine Partnerschaft aussah, war in Wirklichkeit wohl eher eine Zweckgemeinschaft, in der jeder der beiden Michaelis seine eigenen Wege ging. Sie wussten kaum, wo sich der andere jeweils befand, und es schien sie auch nicht sonderlich interessiert zu haben.
 
    Der Anruf am Dienstagvormittag kam völlig unerwartet. Während Pia in ihrer Wohnung die Wände ihres Schlafzimmers mit frischer weißer Farbe versah, rief eine Erzieherin aus Clarissas Kindergarten an und bat sie darum, ihre Nichte unverzüglich abzuholen.
    »Was ist denn los? Ist ihr etwas passiert, hatte Clarissa einen Unfall?«, fragte Pia und fand, dass es langsam genug der Hiobsbotschaften sei. Marlene war immer noch verschwunden. Ihre Mutter war frisch operiert, Tom steckte bis zum Hals in Arbeit und sie selbst zwischen Farbeimern, Folien, Pinseln und einem halb fertig gestrichenen Schlafzimmer.
    »Nicht direkt«, kam die sinnfreie Antwort, »wir haben mit farbiger Tinte gearbeitet, und Clarissa ist eines der Tintenfässchen umgekippt. Die Farbe hat ihr Kleid ruiniert und ... na ja, wir haben sie natürlich umgezogen und versucht, sie zu trösten, aber Clarissa ist wie von Sinnen. Sie lässt sich nicht beruhigen, und da dachte ich, es ist besser, ihren Vater zu unterrichten.«
    »Und? Haben Sie meinen Bruder denn nicht erreicht?«
    »Doch, doch. Er ist leider unabkömmlich und hat uns gebeten, Ihnen Bescheid zu sagen.«
    »Ach so. Also schön, Sie können Clarissa ausrichten, dass ich gleich da sein werde.«
    »Da wird sie sich bestimmt freuen. Bis gleich dann.«
    Im Hintergrund war lautes Gebrüll zu vernehmen. War das ihre Nichte? Clarissa musste wirklich sehr verwirrt sein von der Situation zu Hause, wenn ein Fleck auf ihrem Kleid sie so aus der Fassung brachte.
    Beunruhigt schlüpfte Pia aus dem Overall, den sie zum Anstreichen getragen hatte, und stieg in ihre Jeans. Die weißen Farbspritzer im Haar und auf ihren Turnschuhen ignorierte sie fürs Erste.
 
    Als Pia im Kindergarten ankam, schien Clarissa sich schon einigermaßen gefangen zu haben. Sie saß mit baumelnden Beinen auf einer Krankenliege im Zimmer der Kindergarten-Leiterin. Das Mädchen hatte einen zerknautschten Stoffhasen im Arm, und ihre Augen waren vom Weinen rot und verquollen.
    Pia, die sich eigentlich für abgebrüht und unmütterlich hielt, rührte der Anblick und weckte bisher unbekannte Beschützerinstinkte. Sie schloss das Mädchen in den Arm und strich ihr über das zerzauste Haar.
    »He, Clarissa! Hast du Lust, mit mir mitzukommen? Ich könnte Hilfe beim Malen gebrauchen.«
    »Seit ein paar Minuten ist sie wieder ganz gefasst«, unterrichtete sie die Erzieherin, mit der sie telefoniert hatte, »aber so einen Anfall habe ich noch nie bei ihr erlebt. Sie sah den Fleck, starrte darauf und schrie und schrie ... Wir haben anfangs überhaupt keinen Zugang zu ihr

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