Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
jetzt keine Frage von Loyalität und Frauenfreundschaft mehr. Wir machen uns ernsthaft Sorgen um Marlene. Egal, was Sie wissen oder vermuten, Sie sollten es jetzt sagen.«
»Ja, Sie haben Recht. Ich bin froh, dass ich das mit Ihnen besprechen kann und nicht mit Marlenes Mann. Marlenes Besuch bei mir war schon seit zwei Monaten ungefähr geplant. Ich glaube, wir hatten um Ostern herum miteinander telefoniert und es festgelegt. Marlene rief mich vorletzte Woche am Freitag an und sagte, ihr sei etwas dazwischengekommen. Sie sagte nichts Näheres dazu, aber ich hatte den Eindruck, es ginge um einen Mann. Jedenfalls bat sie mich, Tom, falls ich zufällig mit ihm sprechen sollte, nichts von der Änderung ihrer Pläne zu sagen. Das war mir, ehrlich gesagt, gar nicht recht. Freundschaft hin oder her, aber ich fühlte mich missbraucht und reagierte wohl auch ziemlich unterkühlt. Ich wollte erst einmal keinen neuen Termin mit ihr ausmachen. Marlene rief später sogar noch einmal an und bat mich, falls Tom sich während des Wochenendes bei mir in Zürich melden sollte, zu sagen, sie sei in der Stadt oder so, und ihr Bescheid zu geben, damit sie sich vom Handy aus bei ihm melden könne. Ich fand das so dreist, dass ich Marlene nur kurz angebunden mitteilte, dass ich mir nun für das Wochenende etwas anderes vorgenommen hätte und gar nicht zu Hause sein würde. Damit gab sie sich dann auch zufrieden. Ich war Samstag und Sonntag bei meinen Eltern in Bern und kam erst Sonntagabend zurück. Als Tom abends anrief, war ich selbst gerade erst eine Stunde wieder zu Hause.«
Pia musste das soeben Erfahrene überdenken. Marlene hatte ihre Pläne also schon vor gut einer Woche geändert, ohne Tom etwas davon zu sagen. Aber was hatte sie stattdessen vorgehabt. Hatte sie den Flieger nach Zürich überhaupt bestiegen?
»Hat Marlene irgendwann einmal erwähnt, wer dieser andere Mann sein könnte. Seinen Namen oder wo sie ihn kennen gelernt hat?«
»Nein, mir gegenüber nicht. Es hörte sich so an, aber das ist nur ein ganz subjektiver Eindruck, als kenne sie den Mann schon länger ... länger als Tom, meine ich.«
»War Marlene schon öfters bei Ihnen in Zürich. Wissen Sie, ob sie andere Freunde oder Bekannte in der Schweiz hat?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich wohne ja selbst erst seit zwei Jahren hier. Wissen Sie, was ich eher glaube?«
»Nein.«
»Sie ist gar nicht nach Zürich gekommen. Ich weiß nicht, ob sie etwas in der Richtung angedeutet hat oder ob es nur so ein Eindruck von mir ist, aber ich glaube, sie ist nicht hier angekommen.«
»Können Sie sich an den konkreten Wortlaut erinnern? Was hat Marlene zu Ihnen gesagt, als es um ihre veränderten Pläne ging?«
»Oh je. Ich war so wütend, dass ich nicht so genau zugehört habe. Irgendetwas wie: Verzeih mir, aber es ist unheimlich wichtig für mich. Meine Familie kommt an erster Stelle, deshalb geht es nicht anders. Das muss ich ihm klarmachen ... so in der Art. Und: Ich melde mich bei dir, wenn wieder alles im Lot ist. Ich habe gute Neuigkeiten, sei mir nicht böse ... und so weiter. Sie hat versucht, mich um den Finger zu wickeln, aber enttäuscht war ich trotzdem.«
»Ihre Familie komme an erster Stelle, das müsse sie jemandem klarmachen? Nur wem?«
»Ich weiß es auch nicht. Wenn sie es erwähnt hat, dann ist es mir entfallen.«
»Sie haben mir trotzdem sehr geholfen, Frau Charnin. Tut mir leid, dass Sie mit in diese unerfreuliche Angelegenheit hineingezogen werden. Falls Sie in nächster Zeit etwas von Marlene hören, könnten Sie mich dann kurzfristig anrufen?«
»Ja, natürlich. Wer kümmert sich denn um das Kind. Marlenes Mutter, wie immer?«
»Die ist in den Urlaub geflogen. Aber wir kriegen das ganz gut hin. Ich habe gerade etwas Zeit.«
»Da bin ich aber froh. Die arme Kleine ...«
Frau Charnin ließ sich von Pia noch ihre Mobilnummer diktieren, dann beendeten die Frauen das Gespräch.
Nachdem sie aufgelegt hatte, starrte Pia eine Weile düster auf ein krakeliges Kinderbild, das an der Pinnwand befestigt war. »Für Mama« stand in rotem Buntstift darüber. Es war ein Pferd mit einem grinsenden Katzenkopf oder auch eine Katze mit Pferdeschweif. Verdammt, wo war Marlene abgeblieben!
7. Kapitel
H auke Börnsen von der Wasserschutzpolizei Travemünde und Kriminalkommissar Schelling vom Spurensicherungsteam des K6 beobachteten, wie die Juvenile aus dem Wasser gezogen wurde.
»Ein Jammer ist das«, meinte Börnsen, während er neben Schelling am Kai
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