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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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sich die Wesen in den dunklen Ecken bewegen.
    »Bleibt bloß, wo ihr seid, rührt euch nicht«, flüsterte sie heiser, denn diese Fantasiewesen anzusprechen hieß, ihnen Raum und Substanz zuzugestehen. Zu denken, dass hier der Tod in jeder Ecke lauerte, war etwas anderes, als mit ihm in Kontakt zu treten.
    Als sie an Hecks Bett trat, wusste sie, dass die kritische Phase begonnen hatte. Sie konnte es an nichts Besonderem festmachen, äußerlich hatte sich an seinem Atemrhythmus und dem blicklosen Starren nichts geändert.
    Seine Hände ruhten auf dem hellblauen Bettbezug, der Schnabelbecher mit dem Mineralwasser stand unangerührt auf dem Nachttisch. Seine Lippen sahen trocken und rissig aus, seine Haut ungesund wächsern.
    »Herr Heck, möchten Sie etwas trinken?«, fragte sie ihn unnatürlich laut, um zu ihm durchzudringen.
    Seine Pupillen weiteten sich, er drehte den Kopf ein paar Zentimeter nach rechts und suchte ihren Blick. Er bewegte die Lippen. Gesa hatte einerseits Angst, sich ihm zu nähern, andererseits wollte sie hören, was er zu sagen versuchte.
    »Mädchen ...«, flüsterte er heiser. So klang es jedenfalls. Meinte er sie?
    »Ich bin hier«, antwortete sie ruhiger, als sie sich fühlte. Sein Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Fratze, wie sie mitleidlos feststellte.
    »Haben Sie Schmerzen, soll ich Ihnen etwas bringen?«
    Er schüttelte ungeduldig den Kopf. Die Bewegung schien ihn so anzustrengen, dass er kurz die Augen schließen musste.
    »Nicht«, sagte Gesa unwillkürlich und griff nach seiner Hand. Sie würde ihn diese Nacht noch nicht gehen lassen. Manchmal funktionierte das. Es gab immer wieder Angehörige, die ihre Alten nicht sterben ließen, ihnen später sogar bis in den Kühlraum nachstellten. Oft stahlen sich die Sterbenden in dem Augenblick davon, wenn sie einen Moment allein waren, während der Angehörige zum Beispiel kurz die Toilette aufsuchte. Wenn Gesa es schaffte, dass Heck noch einen Tag länger durchhielt, dann würde diese Frau Schwarz zahlen. Sie dachte an die unangenehmen Telefonate mit ihrer Bank ... Sie brauchte das Geld!
    »Ich war nie ein Feigling«, ächzte Alfred Heck plötzlich, »nein, bestimmt nicht. Nie. Im Krieg nicht und später auch nicht. Immer wacker meinen Weg gegangen, gekämpft ...«
    Gesa wusste aus seinen Papieren, dass er im Zweiten Weltkrieg Soldat gewesen war und in Frankreich gekämpft hatte. Danach war er Lastwagenfahrer gewesen, später hatte er nur noch Aushilfsjobs gehabt. Er hatte jedoch so sparsam gelebt, dass das Pflegeheim von seinen Ersparnissen finanziert werden konnte. Hatte er für das hier gespart? Wie widersinnig das Leben doch war!
    »Wer ist das Mädchen, an das ich Sie erinnere?«, fragte Gesa, um ihn am Reden zu halten. Wieder diese grinsende Fratze, dann Erschöpfung. Gesa dachte schon, er sei eingeschlafen, doch er riss die Augen wieder auf und sah sie an. »Das weißt du doch. Hurenkind ...«, vernahm sie, bestürzt von seinen groben Worten.
    »Weißt du es noch?«, ächzte er wieder.
    »Nein.«
    War es klug, ihm jetzt die Illusion zu nehmen, dass sie jemand war, der ihm irgendetwas bedeutete? Gesa sah durch die Vorhänge, dass es draußen bereits hell wurde. Bald würde die Frühschicht beginnen. Wenn er es bis zum Morgen schaffte, konnte noch alles gut werden. Vielleicht kam dann doch noch ein Arzt und spritzte ihm ein Kreislaufmittel oder ein paar Vitamine ...
    »Lügnerin. Du weißt es noch«, ereiferte sich Heck nun mit pfeifendem Atem, »ich bereue nichts ...«
    »Sie verwechseln mich mit jemandem, Herr Heck.«
    »Was? Nein. Selber schuld!«
    »Wer ist schuld woran?«
    Wenn sie redeten, verging die Zeit schneller.
    »Das weißt du doch. Nur gegeben, worum ... gebettelt hat. War der Erste ... bestimmt nicht ... der Letzte ...«
    Gesa konnte ihn kaum noch verstehen, so leise kamen die Wörter aus seiner trockenen Kehle. Sie wollte eigentlich auch gar nichts mehr hören. Er sollte doch nur noch ein paar Stunden durchhalten.
    »Was um Gottes willen haben Sie nur getan?«, flüsterte sie mehr zu sich selbst, als in der Hoffnung, eine vernünftige Antwort darauf zu bekommen. Heck blieb ihr die Antwort auf diese Frage schuldig.
    Er hörte auf zu atmen.
    Gesa fand, sie habe einfach immer Pech. Nach einer kleinen Weile fühlte sie nach Hecks Puls. Nichts. Sie würde jetzt den Arzt informieren müssen, damit er seinen Tod feststellen konnte. Dann würde Heck zwei Stunden hier liegen bleiben müssen, bis sich der Arzt abermals von
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