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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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damit einverstanden ist. Als ob er ihre Blicke nicht deuten könnte. Als wäre er nicht mehr der Kapitän auf diesem manövrierunfähigen Schiff. Diese Pfuscher.
    Paul Flecker tastet nach den dänischen Lakritzpastillen unter seinem Kissen, die Birger Harms, der alte Bandit, für ihn auf die Station geschmuggelt hat. Diese Dinger sind das Einzige, was den Salzgeschmack, das Aroma seines toten Kindes, wenigstens vorübergehend von den Lippen wäscht.
    Er lutscht, starrt an die Decke und gibt sich Erinnerungen hin. Das war noch was, in den Fünfzigern, mit Klaas, Oskar und dem Pechvogel Flemming, als sie Schnaps und Zigaretten kistenweise von Helgoland rüberschafften - immer schön mit dem Blender durch den Sturm oder den dichtesten Nebel. Die Zollmöpse auf ihren Kreuzern hatten keine Chance gegen sie, denn sie waren jung, flink und kannten die Deutsche Bucht, sie hatten die See auf ihrer Seite. Damals feierten sie ihr eigenes kleines Wirtschaftswunder: Im Gegensatz zu anderen Lehrjungs waren sie immer gut bei Kasse, was ihnen bei den Fräuleins natürlich enorme Vorteile verschafft hat. Nur am Ende ist es ein bisschen dumm gelaufen, doch das musste so kommen, früher oder später, wenn man den Hals nicht vollkriegt. Das hat er gelernt in seinem Leben: wissen, wann Schluss ist ...
    Paul Flecker seufzt. Es ist ja nicht so, dass er geplant hat, ewig zu arbeiten, im Gegenteil. Da alles bestens lief, wollte er sich bald aus dem Geschäft zurückziehen, um noch etliche Jahre fröhlichauf den Putz zu hauen. Mit einem Boot, das Erik entworfen hat, wollte er um die Welt segeln. Ein besserer Mensch werden. Sich endlich mehr um Viktoria kümmern. Gut essen, Liebe machen, Geld ausgeben und die alte Heimat wiedersehen. Aus der Traum. Paul Flecker fühlt sich wie leckgeschlagen. Egal mit welcher Ausdauer die Mannschaft Wasser abschöpft, es kommt stetig etwas nach, und das wird ihn früher oder später auf den Grund ziehen.
    Wasser gewinnt immer.
    Der Klabautermann tanzt schon auf seinem Kissen.
    Jetzt gilt es, erst einmal zu retten, was zu retten ist. Er muss seine Nachfolge sichern, denn der Wachwechsel ist unvermeidlich. Das war ihm schon klar, bevor sein Körper ihm den Dienst verweigert hat. Und er hat längst einen Plan.

Es ist eng
    JANNE
    Wieder ein Abschied. Nils muss zurück nach Berlin und Janne bringt ihn vor Sonnenaufgang zum Bahnhof. Am Gleis schließt er sie in die Arme und hält sie fest, als wollte er für sie beide einen Vorrat an Nähe anlegen.
    »Ich komme nach, so bald es geht«, sagt sie, das Gesicht in seiner Jeansjacke vergraben, die nach ihrer Wohnung in Berlin riecht.
    Wespen umkreisen sie, angelockt von Essensresten in und neben den Papierkörben und der Wärme ihrer Körper an diesem kühlen Morgen. Nils, der nicht aufhören kann, sich für sie verantwortlich zu fühlen, fragt, ob er noch eine Woche bleiben soll. Sie empfiehlt, dass er sich lieber um seine Affen kümmert. Er ist Architekt und gerade dabei, sich mit dem Bau des neuen Primatenhauses für den Zoo einen Namen zu machen. Sein Entwurf gilt als gelungener Balanceakt zwischen kühnem Design und artgerechter Haltung, so etwas spricht sich in der Hauptstadt herum. Es gibt bereits Anfragen der Regierungsfraktionen für irgendwelche Prestigeprojekte. Auch Politiker wollen artgerecht gehalten werden.
    »Wir haben gar nicht mehr geredet«, stellt er fest.
    »Worüber denn?«
    »Stimmt, worüber sollten wir reden? Ist ja fast gar nichts passiert.«
    »Idiot. Reden macht es auch nicht besser.«
    Sie weiß, er ist anderer Meinung. Für ihn werden Nöte kontrollierbar, wenn er darüber spricht. Janne hingegen fürchtet, den Geist nicht wieder in die Flasche zu bekommen, sobald sie den Korken löst.
    »Hellageht mir nicht aus dem Kopf. Erik hat sie vergöttert und sie ihn auch, davon war ich zumindest überzeugt. Und jetzt das. Allmählich bekomme ich Zweifel«, sagt er.
    Die Gleise beginnen zu zirpen, und Janne tritt einen Schritt zurück. Sie ärgert sich über ihn, weil er mit dem Zweifeln nicht warten konnte, bis er im Abteil sitzt. Sie hat so schon genug am Hals. »Die Polizei wird wissen, was sie tut.«
    Der Lärm des einfahrenden Zuges beendet das Gespräch, das sie nicht gewollt hat. Der Fahrtwind zerzaust ihnen das Haar und wirbelt schmutziges Papier durch die Luft. Nils hebt beide Hände wie zur Entschuldigung und Janne nickt ihm zu. »Tschüss«, sagt sie leise und stapft, ohne die Abfahrt abzuwarten, davon. Sie winkt nicht. Sie schaut auf den

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