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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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entscheidenden Schritt. Unmittelbar darauf folgt ein ohrenbetäubender Knall, der den Hallenboden zum Beben bringt.
    Janne steht starr. Vor ihren Füßen, genau da, wo sie eben noch gestanden hat, liegt ein undefinierbarer Haufen Schrott. Im Nu ist sie umringt, Birger und ein gutes Dutzend Arbeiter betrachten sie sorgenvoll.
    Beschwichtigend hebt sie beide Hände. »Nichts passiert. Mir geht es gut.«
    »Du bist leichenblass«, stellt Birger fest.
    Sie atmet tief durch. »Das ist ja wohl kein Wunder. Und jetzt hören Sie auf, mich anzustarren, meine Herren. Beseitigen Sie dieses Desaster, aber sofort. Ich erwarte, dass jemand von Ihnen morgen in meinem Büro antritt und mir erklärt, wie das passieren konnte. Verstanden?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, verlässt sie die Halle, gefolgt von Birger. Als sie sich am Werktor verabschieden, wirkt er sehr besorgt.
     
    Janne hält sich wach bis nach Mitternacht. Dann bricht sie auf. Es nieselt, der Scheibenwischer zieht schmierige Streifen. Sie blickt oft in den Rückspiegel. Abgeschaltete Ampeln, nasser Asphalt. Die Stadt schläft. Es hat angefangen. Was auch immer »es« sein mag. Automatisch senkt sie den Kopf, sobald ihr ein Auto entgegenkommt, was drei Mal passiert: zwei Taxis, eine Limousine mit auswärtigem Kennzeichen. Sogar das Licht des eigenen Blinkers, das sich auf der feuchten Fahrbahn spiegelt, jagt ihr einen Schreck ein. Der Vorfall in der Werft hat ihre Zuversicht nicht gerade gestärkt.
    Janne parkt nicht auf dem Parkplatz der Klinik, sondern einige Hundert Meter entfernt an der Straße. Das siebenstöckige Gebäude, ein Komplex aus grauen Betonplatten, wirkt noch abweisender als sonst. Wie eine Falle. Ihr Herz rast, und sie mahnt sich zur Vernunft. Hinter vielen Fenstern brennt Licht, auch im vierten Stock, wo die Räume der Intensivstation liegen. DerRegen wird stärker. Als ein Krankenwagen mit Sirene und Blaulicht knapp am Fußweg vorbeirast, springt sie zur Seite, und die nassen Zweige einer Hecke schlagen ihr ins Gesicht. Vom nahen Strand hört sie die Möwen höhnisch lachen.
    Unter dem Vordach des Haupteingangs steht ein Patient im Bademantel und raucht. Grußlos geht Janne an ihm vorbei und passiert unbehelligt den Pförtner, der über einer Zeitschrift ein Nickerchen macht. Es ist derselbe wie am Abend zuvor. Die Eingangshalle ist wie leergefegt, es brennt nur eine Notbeleuchtung. Janne nimmt nicht den Fahrstuhl, sondern huscht auf Zehenspitzen durch das Treppenhaus nach oben. Ihre Aufregung hat sich weiter gesteigert, und ihr wird bewusst, dass sie bisher nie etwas richtig Verbotenes getan hat - von zu schnellem Autofahren abgesehen. Sie ist die sprichwörtliche unbescholtene Bürgerin. Ihr Bedürfnis nach Nervenkitzel erschöpft sich ansonsten darin, vor dem Supermarkt auf den Mutter-Kind-Plätzen zu parken oder in der Frischeabteilung eine Erdbeere zu kosten, ohne das dazugehörige Schälchen zu kaufen.
    Sie hat Pech. Die Milchglastür mit der Aufschrift »Intensivstation - Kein Zutritt«, die tagsüber offen steht, ist geschlossen. Es gibt einen Summer und eine Sprecheinrichtung. Aber was sollte sie sagen? Sie wartet ab. Einmal geht die Tür auf, und eine Handvoll Ärzte und Pfleger in grüner OP-Kleidung rollen eilig ein Bett in Richtung Operationssaal. Auf der Decke liegt ein Vitaldatenmonitor. Unregelmäßiger Herzschlag. Ein angsterfüllter Blick streift Janne. Außer der Patientin nimmt niemand Notiz von ihr. Die Frau sieht nicht aus wie jemand, der noch lange zu leben hat. Sie ist etwa im Alter ihrer Mutter und von einer schweren Krankheit gezeichnet. Jemand sollte ihre Hand halten, denkt Janne.
    Sie stellt sich ans Fenster, abseits in den Halbschatten. Tiefschwarze Nacht über dem Meer. Eine halbe Stunde muss sie ausharren,bis der Sesam sich ein zweites Mal öffnet, diesmal für drei Ärzte, die in ein Gespräch vertieft sind. Sie gähnen beim Sprechen, doch auch sie sind in Eile. Als ihre Stimmen sich entfernen, fasst Janne sich ein Herz und schlüpft durch den sich schließenden Spalt. Der Empfang ist nicht besetzt. Sie atmet tief durch. Niemand hat sie bemerkt, obwohl jeder Schritt einen deutlichen Nachhall verursacht, egal, wie leise sie sich bewegt.
     
    Jetzt muss es schnell gehen. Die Schublade unter dem Telefon ist nicht verschlossen, und die Mappe mit den Telefonnummern der Angehörigen liegt an ihrem Platz. Sie schlägt sie auf und blättert und sucht den Buchstaben F vor Anspannung an der falschen Stelle. Dann wird sie

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