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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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sind, können wir nicht davon ausgehen, dass wir es morgen von ihr erfahren werden. Helmut, ich weiß nicht, was ich in der Sache noch machen soll. Ihr müsst unbedingt noch einmal alles durchleuchten, was damals war. Hat sich zum Beispiel vor drei Jahren jemand darum gekümmert, was Wolfgang Gerlach an dem Wochenende getan hat, an dem Moritz Rißmann im Wöhrder See gefunden wurde und Sandra Kovács beschloss, sich nie wieder hier blicken zu lassen? Wenn nicht, muss das dringend nachgeholt werden. Sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung et cetera halte ich für die falsche Fährte. Hab ich dir schon gesagt, dass ich mich mit dem Gerlach anfänglich über Bach unterhalten hab? Man kann sich mit dem Mann über nichts anderes unterhalten, und deswegen habe ich versucht, über Musik irgendwie an ihn heranzukommen. Es ist unmöglich, mit ihm ein Gespräch zu führen, das auch nur entfernt etwas Persönliches streift. Der lebt in strikt getrennten Welten. Da gibt es die unantastbare Welt der Musik einerseits. Und es gibt die irrationale Welt der Triebe, Lüste, Emotionen andererseits – das pure Leben, wenn du so willst. Aber für den ist das Leben gar nicht existent. Vielleicht findet es in seiner Vorstellung statt, aber nicht in der Realität, weil da bestimmte Dinge gar nicht stattfinden  können  – denk an die Geschichte mit dem Sadomaso-Studio. Aus diesem permanenten Konflikt zwischen den inneren Welten entsteht eine Energie, die sich niemals vollständig entladen kann. Genauso sind Fanatiker und Besessene gestrickt – aufgeladen mit einer vibrierenden, nervösen Energie, die sie aufzehrt, weil sie sie nicht ins Leben umsetzen können. Also brauchen sie Opfer, die im Gegensatz zu ihnen lebendig sind, damit sie sich deren Leben unterwerfen können. Und wehe dem Opfer, das es wagt, auf seinem eigenen Leben zu bestehen. Das kommt einem Gesetzesverstoß gleich und bringt den Herrn und Meister zum Durchtickern.«
    Mattusch winkt ab.
    »Kascha, dein Gespür in allen Ehren – aber dir wird doch wohl klar sein, dass ich diesen Sums nicht dem Tobisch erzählen kann. Es konnte damals an der Leiche von Moritz Rißmann keinerlei Hinweis auf ein Gewaltverbrechen festgestellt werden. Punkt. Zoe ist ja gestern extra noch einmal bei Häckel gewesen, um sich zu vergewissern, ob auch wirklich jeder Irrtum ausgeschlossen war. Und daher wurde auch nicht nach einem Täter ermittelt. Wir haben uns eh schon weit genug aus dem Fenster gelehnt, was den Gerlach betrifft. Was soll ich denn machen? Soll ich den Tobisch anrufen und sagen, mein lieber Herr Dr. Tobisch, gegen den Gerlach liegt zwar eigentlich nichts vor, aber unsere Gutachterin hat sich da so eine Theorie zusammengebastelt, und deshalb würden wir gern Ermittlungen aufnehmen. Kascha, mir kommt doch der Mann selber nicht ganz sauber vor! Sogar der Kalz, der eigentlich auf einer ganz anderen Fährte war, hat es gestern für nötig gehalten, den Gerlach im Krankenhaus aufzusuchen, um ihm ein paar Fragen zu stellen, und das will wirklich was heißen. Aber was kam bei alldem heraus? Gerlach war dieses Jahr ein paarmal in Pilsen. Sandra Kovács war ebenfalls in Pilsen. Zufall? Oder hat da einer den anderen verfolgt? Aber wenn ja – wer wen? Die Kovács den Gerlach, oder der Gerlach die Kovács?«
    »Letzteres. Weiß ich von Zoe.«
    »Und wo hat die das her?«
    »Aus einer Nachricht von Sandra Kovács an ihre Schwester.«
    »Auf die könnten wir nur was geben, wenn sie bei klarem Verstand wäre. Und das ist sie ganz offensichtlich nicht.«
    »Du solltest dich unbedingt mit Zoe in Verbindung setzen. Ich kann aus Gerlachs Brief herauslesen, dass Leonie Kovács in Gefahr ist, und Zoe hat in der Richtung noch andere Hinweise gefunden.«
    Die Luft vor den Fenstern ist schwer geworden. Mattusch steht auf und tritt auf die Terrasse hinaus. Die Pegnitz liegt wie ein träges Flusspferd in ihrem Bett. Am gegenüberliegenden Ufer sieht er ein altes Haus mit einer langgestreckten, holzverschalten Veranda, auf der an mehreren Tischen an die zwanzig Leute beisammen sitzen und den Deutschlandsieg mit reichlich Bier begießen.
    »Was ist das für ein Lokal da drüben?«
    »Ist kein Lokal, sondern eine Kunstgalerie. Heißt Bernsteinzimmer.«
    »Ah.«
    Mattusch äugt noch einmal kurz zum Himmel hinauf, geht wieder nach drinnen und tappt unschlüssig auf und ab. Das angekündigte Gewitter scheint sich Zeit zu lassen.
    »Tut mir leid, Kascha. Ich kann das Mädchen nicht unter Bewachung stellen lassen.

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