Blaulicht
dürftest.«
»Mensch Gloßner, du und Klöppeln«, stöhnt Kascha, aber in das Stöhnen hat sich klammheimlich doch ein kleines, fast entspanntes Lachen geschmuggelt, und der alte Kripofuchs weiß, dass er gerade jemanden geknackt hat.
»Du machst dir Sorgen um dieses Mädchen, Sandra, stimmt’s? Denkst du, ihr Musiklehrer war eine Gefahr für sie und ist es immer noch?«
An anderen Ende bleibt es eine Weile stumm, dann hört man einen tiefen Atmer.
»Ja, ich bin davon überzeugt, dass dieser Gerlach gefährlich ist, auch wenn ich es nicht beweisen kann. Ich denke, er ist eine Gefahr für Sandra Kovács und eventuell auch für deren Schwester Leonie, sowohl der Brief als auch die Einträge in diesem Ballettforum legen zumindest den Verdacht nahe.«
»Hm«, durch die Leitung hört man es rascheln und dann ein leises Fupp, Gloßner hat sich offenhörlich eins seiner russischen Lieblingszigarillos angezündet, die ihm beim Denken helfen – das schwachsinnige Rauchverbot gilt für Speisegaststätten, nicht aber für Telefonzellen davor.
»Du hast doch im Zusammenhang mit diesem Lehrer einen Prostituiertenmord an der deutsch-tschechischen Grenze erwähnt, ich kann mich an den Fall erinnern. Es gab damals eine ganze Serie von Mordfällen in diesem Gebiet und die haben natürlich auch hier in der Oberpfalz eine ganze Menge Staub aufgewirbelt. Soweit ich weiß, wurden die nie aufgeklärt. Russenmafia hieß es, aber an die Drahtzieher kommt man so gut wie nie. Diese, wie heißt die Neue beim K1?«
»Zoe.«
»Diese Zoe vermutet also, dass der Gerlach irgendwas mit dem Nuttenmord zu tun hat? Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt, nur weil dieser Typ auf komische Fesselspielchen steht?«
»Klar ist das weit hergeholt, das weiß sie selber auch. Aber in diesem Fall greift man nach jedem Strohhalm, und momentan wissen wir beide einfach nicht mehr …«
Ihr Satz wird vom Läuten des Handys unterbrochen. Zoe ist dran, eine Zoe, deren Stimme einen sehr unguten Unterton hat und schlechte Neuigkeiten ahnen lässt.
*
Die Reeperbahn nachts um halb eins hing noch als Klang im Raum und in Zoes Ohren, als sie auf die grüne Rufannahmetaste gedrückt hatte.
»Hallo?«
Am anderen Ende war eine ihr nur allzugut bekannte Frauenstimme, die mühelos alles vertreiben konnte, erst recht schwebende Tonerinnerungen.
»Spreche ich mit Frau Kandeloros von der Kriminalpolizei?«
Zoe hätte tausend andere Antworten lieber gegeben – »Ja, aber ich hab eigentlich seit gestern 17 Uhr Feierabend« oder »Ja, aber lang bin ich bei dem Verein nicht mehr dabei« oder »Ja, aber ich hab’s mir gerade bei Bier und Erdnussflips gemütlich gemacht und will später dann Fußball schauen, falls ich nicht vorher am Küchentisch einschlafe« – als die, die sie gab, aber in der unsympathischen Stimme schwingt ein alarmierender Unterton mit, und also sagte sie: »Ja, hier Kandeloros. Frau Kovács?«
Augenblicklich kam ein längerer Monolog in Gang, dem Zoe entnehmen konnte, dass Leonies Ballettschule am morgigen Sonntag eine Aufführung im Fürther Stadttheater hat, heute bis vor zirka einer Stunde die Generalprobe stattgefunden habe, von der Leonie immer noch nicht heimgekehrt sei et cetera, und obwohl oder gerade weil man eine Barbara Kovács nicht unterbricht, fiel Zoe in den Redestrom ein.
»Vielleicht dauert die Probe einfach nur ein wenig länger?«
»Hören Sie mir überhaupt zu, Frau Kandeloros? Ich habe selbstverständlich in der Ballettschule angerufen. Und was sagt mir die Frau Tolnay? Leonie wurde abgeholt! Mitten in der Probe!«
»Von wem abgeholt?«
»Frau Kandeloros, wie soll ich das wissen? Wer von uns beiden wird denn für Ermittlungen bezahlt? Sie oder ich?«
»Ich kümmere mich, Frau Kovács. Auf Wiederhören.«
*
Zoe hatte in hastigen Worten zusammengefasst, was anschließend vorgefallen war, und damit auch in Kascha die Alarmglocken zum Schrillen gebracht. Gloßner, der Kaschas Part des Gesprächs auf der anderen Leitung mitverfolgen konnte, hatte schnell eins und eins zusammengezählt und war alles andere als erstaunt, als diese ihn bat, sich irgendwie verfügbar zu halten.
»Gloßner, ich weiß, dass du im Urlaub bist, aber bitte hol dein Handy aus der alten Zollstation und platzier dich irgendwo, wo du Empfang hast! Von mir aus auf dem Marktplatz in Schönsee.«
Dann hatte sie aufgelegt, um mit Zoe die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Sicher, Mattusch hatte vollkommen recht, nur weil
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