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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Wohl!›»
    «So eine Frechheit!», sagte George. Dann fragte er neugierig: «Wie fanden Sie ihn denn?»
    Mit bewusst farbloser Stimme antwortete sie:
    «Och – genau so, wie ich erwartet hatte. Ein schwacher Typ.»
    Und George sah nichts, merkte nichts! Am liebsten hätte sie es ihm entgegengeschleudert: «Warum hast du mich zu ihm geschickt? Ahntest du denn nicht, was er mit mir machen würde? Siehst du nicht, wie ich mich verändert habe? Die Gefahr? ‹Zu allem fähig›, sagtest du gestern. Wenn du wüsstest…»
    Stattdessen sagte sie in ihrem neutralen Geschäftsston: «Was den Brief nach Sâo Paulo betrifft – »
    Sie war die kompetente, tüchtige Sekretärin…
    Noch fünf Tage.
    Rosemarys Geburtstag.
    Ein ruhiger Tag im Büro – ein Termin beim Friseur – ein neues schwarzes Kleid, dezentes Make-up. Das Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegensah, war nicht ganz ihr eigenes Gesicht. Es war blass, entschlossen, verbittert.
    Victor Drake hatte es durchaus richtig erkannt. Sie hatte kein Mitleid in sich.
    Später am Abend, als sie über den Tisch hinweg auf Rosemary Bartons blaues, verkrampftes Gesicht starrte, hatte sie immer noch kein Mitleid empfunden.
    Jetzt aber, elf Monate danach, dachte sie an Rosemary Barton, und plötzlich fürchtete sie sich…

Drei

Anthony Browne
     
    A nthony Browne blickte stirnrunzelnd vor sich hin, als er an Rosemary Barton dachte.
    Es war verdammt idiotisch von ihm gewesen, sich je mit ihr einzulassen! Obwohl man es keinem Mann verübeln konnte, wenn er es tat! Sie war ein appetitlicher Anblick gewesen. An dem Abend im Dorchester hatte er nur Augen für sie gehabt. Eine verführerisch schöne Venus – da fragte man nicht nach dem Intelligenzquotienten!
    Es hatte ihn ziemlich heftig getroffen. In der Folgezeit hatte er keine Mühe gescheut, bis er endlich jemanden fand, der ihn vorstellen konnte. Unentschuldbar eigentlich, dass er ihretwegen seine Arbeit so vernachlässigt hatte! Schließlich vertrödelte er seine Tage im Claridge nicht zum Vergnügen.
    Aber Rosemary Barton war hübsch genug, um eine kurzfristige Vernachlässigung seiner Pflichten vor dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen. Und was nützte es jetzt, sich in den Hintern zu treten und zu fragen, wieso man ein solcher Idiot gewesen war! Zum Glück gab es nichts zu bereuen. Fast vom Moment ihrer Bekanntschaft an war ihr Zauber leicht verblichen. Die Dinge hatten wieder ihr alltägliches Maß angenommen. Es war keine Liebe, nicht einmal Verliebtheit gewesen. Man wollte sich miteinander vergnügen – nicht mehr und nicht weniger.
    Nun, er hatte es genossen. Und Rosemary auch. Sie tanzte wie ein Engel, und wohin er mit ihr kam, verrenkten sich die Männer die Hälse. So etwas machte einem Mann Spaß. Allerdings nur so lange, wie sie den Mund hielt und schwieg. Er dankte seinem Schicksal, dass er nicht mit ihr verheiratet war. Nicht auszuhalten, wenn man sich an diese Perfektion in Gesicht und Gestalt gewöhnt hätte! Sie konnte nicht einmal intelligent zuhören. Solche Mädchen erwarteten schon beim Frühstück glühende Liebeserklärungen, und zwar täglich.
    Na ja, jetzt war es leicht, so zu denken.
    Er war schon auf sie hereingefallen, oder?
    War um sie herumscharwenzelt, hatte sie angerufen und ausgeführt, zum Tanz gebeten und im Taxi geküsst. War auf dem besten Wege gewesen, sich lächerlich zu machen – bis zu jenem erschreckenden, unglaublichen Tag.
    Er erinnerte sich noch genau, wie sie ausgesehen hatte: Eine Strähne ihres kastanienbraunen Haars hatte sich über dem Ohr gelöst, und durch die gesenkten Lider hindurch war das Blitzen ihrer dunkelblauen Augen zu sehen. Und wie hatten ihre weichen roten Lippen geschmollt.
    «Anthony Browne. Ein hübscher Name!»
    «Ziemlich alt und ehrwürdig», hatte er leichthin gesagt. «Ein Kammerherr von Heinrich dem Achten hieß so.»
    «Ein Vorfahr?»
    «Das könnte ich nicht beschwören.»
    «Das solltest du auch lieber bleiben lassen.»
    Er zog die Augenbrauen hoch.
    «Ich stamme vom kolonialen Zweig der Familie ab.»
    «Nicht vom italienischen?»
    «Ach», lachte er, «meinst du meinen braunen Teint? Meine Mutter war Spanierin.»
    «Ach, deswegen.»
    «Deswegen – was?»
    «Es erklärt eine ganze Menge, Mr Anthony Browne.»
    «Mein Name scheint’s dir ja angetan zu haben.»
    «Ich sagte ja schon, es ist ein hübscher Name.»
    Und dann kam es wie ein Blitz aus heiterem Himmel: «Hübscher als Tony Morelli.»
    Im ersten Moment traute er seinen Ohren nicht. Es

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