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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zu.
    Er sah sie ernst an, beinahe streng.
    «Sag mir die Wahrheit, Iris. Dies ist meine Frage: Vertraust du mir?»
    Sie war überrascht. Es war nicht die Frage, die sie erwartet hatte. Er sah es.
    «Du hast gedacht, dass ich dich etwas anderes fragen würde? Aber es ist eine sehr wichtige Frage, Iris. Für mich die wichtigste Frage auf der Welt. Vertraust du mir?»
    Sie zögerte eine kleine Sekunde, dann antwortete sie mit niedergeschlagenen Augen:
    «Ja.»
    «Dann mache ich weiter und frage dich noch etwas. Willst du mit mir nach London kommen und mich heiraten, ohne es irgendjemandem zu sagen?»
    Sie starrte ihn an.
    «Aber das kann ich nicht! Ich könnte es einfach nicht!»
    «Du könntest mich nicht heiraten?»
    «Nicht so.»
    «Und doch liebst du mich. Du liebst mich doch?»
    Sie hörte sich selbst sagen:
    «Ja, ich liebe dich, Anthony.»
    «Aber du willst nicht mit mir kommen und mich in der Kirche der heiligen Elfrida heiraten, in der Gemeinde in Bloomsbury, in der ich seit ein paar Wochen wohne und wo ich daher jederzeit ein Aufgebot bestellen kann?»
    «Wie sollte ich so etwas machen? George wäre furchtbar verletzt, und Tante Lucilla würde mir niemals vergeben. Und außerdem bin ich noch nicht volljährig. Ich bin ja erst achtzehn.»
    «Dann gibst du eben ein anderes Alter an. Ich weiß nicht, in welcher Weise ich mich strafbar mache, wenn ich eine Minderjährige ohne Zustimmung ihres Vormunds heirate. Wer ist denn dein Vormund?»
    «George. Er verwaltet auch mein Vermögen.»
    «Wie gesagt, ich weiß nicht, was die Strafe sein mag, aber sie könnten die Ehe nicht annullieren, und das ist das Einzige, was für mich zählt.»
    Iris schüttelte den Kopf.
    «Ich kann es nicht tun. Ich könnte nicht so lieblos sein. Und überhaupt, warum sollte ich? Was soll das Ganze?»
    «Deshalb habe ich dich zuerst gefragt, ob du mir vertraust», sagte Anthony. «Du müsstest meine Gründe auf Treu und Glauben akzeptieren. Sagen wir, so wäre es am einfachsten. Aber lassen wir das jetzt.»
    Schüchtern meinte Iris:
    «Wenn George dich nur ein bisschen besser kennen lernen könnte. Komm jetzt mit mir zurück! Es sind nur er und Tante Lucilla da.»
    «Bist du sicher? Ich dachte – »
    Er dachte nach.
    «Als ich den Hügel raufstieg, sah ich jemanden, der sich eurem Haus näherte – und das Komische ist, ich meinte ihn zu erkennen – als jemanden» – er zögerte « – dem ich schon einmal begegnet bin.»
    «Ach ja – das habe ich vergessen – George sagte, dass er Besuch erwartet.»
    «Der Mann, den ich zu sehen meinte, hieß Race – Colonel Race.»
    «Das ist wohl möglich», stimmte Iris zu. «George kennt wirklich einen Colonel Race. Er war auch eingeladen, an dem Abend, als Rosemary – »
    Ihre Stimme zitterte; sie brach ab. Anthony griff nach ihrer Hand.
    «Denk nicht mehr daran, Liebling. Ich weiß, es war grausam.»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Ich kann nichts dagegen tun. Anthony – »
    «Ja?»
    «Ist dir je die Idee gekommen – hast du je daran gedacht – »
    Sie fand es schwierig, ihren Gedanken in Worte zu fassen.
    «Hast du je den Verdacht gehabt – dass Rosemary vielleicht nicht Selbstmord begangen hat? Dass sie vielleicht – umgebracht wurde?»
    «Großer Gott, Iris! Wie bist du auf so eine Idee gekommen?»
    Sie gab keine Antwort – hakte nur noch einmal nach:
    «Du hast nie daran gedacht?»
    «Natürlich nicht! Rosemary hat Selbstmord verübt!»
    Iris sagte nichts.
    «Wer hat dich auf solche Gedanken gebracht?»
    Einen Augenblick lang war sie in Versuchung, ihm Georges unglaubliche Geschichte zu erzählen, aber sie beherrschte sich. Langsam sagte sie:
    «Es war nur so eine Idee.»
    «Vergiss es, Liebling. Du Dummköpfchen.»
    Er zog sie zu sich hoch und küsste sie leicht auf die Wangen.
    «Du liebes, morbides Dummköpfchen! Vergiss Rosemary! Denk nur an mich!»

Vier
     
    C olonel Race schmauchte seine Pfeife und blickte sein Gegenüber dabei nachdenklich an.
    Er hatte George Barton schon als kleinen Jungen gekannt. Bartons Onkel hatte ein Landhaus direkt neben dem der Races gehabt. Race war mehr als zwanzig Jahre älter als Barton, schon über sechzig, ein großer, kerzengerader soldatischer Typ, mit sonnengebräuntem Gesicht, kurz geschnittenem, eisengrauem Haar und durchdringenden, dunklen Augen.
    Zwischen den beiden Männern hatte nie eine besondere Vertrautheit geherrscht – aber Barton blieb für Race «der junge George» – eine der vielen Randfiguren aus früheren

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