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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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erst nach
und nach Schwimmkränen und mehreren Schleppern zuordnen konnten. In einer von
Bojen eingegrenzten Kranlandschaft wurde offenbar etwas ausgebaggert,
vielleicht handelte es sich auch um ein Bergungskommando. Und wir waren
mittendrin. Ein Hupkonzert begann, Scheinwerfer blinkten auf, und vor Schreck
hätten wir um ein Haar eine große Tonne umgefahren. Dreißig Meter vor dem
Aufprall schmiss Stefan das Ruder herum, und die Baju drehte ab. Glück gehabt. Sofort änderten wir unseren Kurs, fuhren eine große
Schleife und suchten nach einer neuen Orientierung. Das war gerade noch einmal
gut gegangen.
    Â Bald darauf passierten wir
die Bucht von Algecircas, im Osten ragt hier der Felsen von Gibraltar hervor,
den wir aber in dem Nebel nicht erkennen konnten, anders als die beleuchteten
Industrie- und Hafenanlagen, an denen Tanker beladen wurden – im Norden der
Bucht befindet sich eine Ölraffinerie. Eine gute Dreiviertelstunde brauchten
wir, bis wir die überdimensionierten Tankstellen hinter uns gelassen hatten.
Immer wieder mussten wir wartenden Frachtern ausweichen.
    In Gibraltar ankerten wir vier Wochen. Wir warteten auf den
richtigen Wind, nutzten aber auch die Zeit, um einzukaufen. Und dann , Ende September, war es so weit, wir stachen in den
Atlantischen Ozean. Die Wellen kamen jetzt langsamer und höher, waren aber
nicht mehr so steil wie im Mittelmeer.
    Nach der Straße von Gibraltar änderten sich aber nicht nur die
Wellen, sondern auch die Gemeinschaft der Segler. Waren im Mittelmeer
hauptsächlich Saisonsegler unterwegs gewesen, begegneten wir jetzt Leuten, die
wie wir in die Karibik und anschließend in den Pazifik segeln wollten.
Erfahrene Weltumsegler verrieten uns auf La Graciosa, einer der Kanarischen
Inseln, zu fortgeschrittener Stunde Ködertipps, mit denen es ihnen gelungen
sei, über zehn Kilo schwere Bigeye Tuna, sie gehören zu den
Blauflossen-Thunfischen, aus dem Wasser zu angeln. Bei uns gab es noch Fisch
aus der Dose, aber wir waren überzeugt, dass wir mit der richtigen Ausrüstung
und den Insidertipps schon bald eine Portion Sushi aus unserem ersten selbst
gefangenen Fisch genießen würden.
    Im Supermarkt, in der Bar, im Baumarkt – überall schnappten wir auf,
was für eine Atlantikübersegelung notwendig war. Da ging es um die Anzahl von
Klopapierrollen oder um die Frage, ob 24 Liter Wein für diesen Törn reichen
würden. Immerhin ging man davon aus, nonstop zwei, drei Wochen auf dem Wasser
zu verbringen, ohne Land in Sichtweite.
    Keiner von uns Seglern trug eine Uhr am Handgelenk. Ging die Sonne
unter, bedeutet dies, dass der Tag vorbei war, jedenfalls der »Arbeitstag«.
Kurz vor Sonnenuntergang hatte man sich bereits verabredet, um den Abend
gemeinsam auf einem Nachbarboot oder dem eigenen zu verbringen. Dazu sagte man
nicht: »Kommt um siebzehn Uhr vorbei«, sondern: »Sundowner auf Baju , kommt vorbei.«
    Gesprochen wurde über die Börsenverluste der letzten Tage, die nach
dem Crash der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September praktisch
jeder zu verzeichnen hatte, der sein Geld in Aktien angelegt hatte. Wir fanden,
dass wir bei diesem weltweiten Kollaps gar nicht schlecht dastanden,
schließlich hatten wir die Baju gekauft, ein Gefährt,
das sich mit Windkraft bewegt und auf dem sich auch sonst recht autark leben
lässt.
    Völlig unberührt von dem Crash zeigten sich jene älteren Segler, die
ihren Törn mit ihrer Rente finanzierten. Sie hatten nicht unbedingt viel Geld
auf dem Sparkonto, hatten aber durch ihr lebenslanges monatliches Einkommen
ausgesorgt, weshalb wir sie »Segler-Millionäre« nannten.
    Erst in der Karibik, in Mittelamerika, sollten wir jüngere Segler
treffen, also Segler, die nicht über siebzig waren, nicht so viel Geld hatten,
auch kaum Sicherheiten, und ähnlich wie wir abseits der üblichen Routen
unterwegs waren. Amerikaner, Franzosen, Kanadier, Holländer, Deutsche, die gern
Partys am Strand feierten und aus ihren Jobs ausgestiegen waren, nicht wussten,
wie lange sie unterwegs sein und ob sie je wieder ein geregeltes Leben führen
würden.
    Natürlich hatten wir einiges an Geld gespart, unser Budget sollte
lange reichen und durch die Chartertouren immer wieder aufgefrischt werden.
Statt Mietwagen und Restaurantbesuche hatten wir ein anderes Programm für
Landbesuche als die »Segler-Millionäre«:

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