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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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ich als
Verantwortlichen bei dieser Schieberei ausgemacht hatte. »Hör zu«, sagte ich zu
ihm. » Ich gebe euch zusätzlich 200 Dollar für den Motor.« Erneutes Getuschel
unter den Mittelsmännern, dann erschien ein breites Grinsen auf allen Gesichtern
und der von mir Angesprochene meinte: »Der Motor ist schon weg, der ist
verkauft.« Dazu fiel mir nichts mehr ein. Jetzt war klar: Die Polizei musste in
der Geschichte mit drinhängen.
    Immerhin halfen die Männer dabei, Baby Baju auf
eine Fähre zu hieven und vor unserem Katamaran ins Wasser zu lassen. Mit
unserem fünfzehn Jahre alten, großen und schweren Außenbordmotor wurde es
wieder fahrtüchtig. Das erste Mal war uns bewusst geworden, wie wichtig ein
Beiboot ist, und wir waren froh, nicht mehr mit in einem Gummiboot an Land
paddeln zu müssen.

    Am 12. Januar 2010 gab es vor der Küste Haitis ein
Erdbeben der Stärke 7, das den Karibikstaat verwüstete. Häuser brachen in
Sekundenschnelle zusammen, unzählige Menschen starben, ein einziger Schrecken.
Wie in Thailand erfuhren wir erst von Freunden von dieser Katastrophe. Sie
schrieben uns E-Mails: »Habt ihr gehört? Habt ihr was davon mitbekommen, ihr
seid doch im Nachbarland.«
    Das Ausmaß der Vernichtung wurde uns erst bewusst, als wir sahen,
wie in der Dominikanischen Republik überall Kleider für die Erdbebenopfer
gesammelt wurden und die Spendenaufrufe nicht abrissen. Wir und alle Segler,
denen wir begegneten, gaben Geld oder Lebensmittel.
    Sosehr ich mir gewünscht hatte, in Haiti einen Stopp einzulegen – es
schien nicht ratsam zu sein, in diesen wirren Zeiten das Land zu besuchen.
Selbst Wochen später hörten wir, dass Menschen sich Flöße gebaut hätten und
Schiffe kapern würden, um dem Albtraum aus Not, Hunger und Cholera zu entkommen.
    Â»Da wir nach Kuba wollen, werden wir aber zwangsläufig an Haitis
Küste vorbeisegeln«, sagte ich, als ich die Landkarte studierte. Wir hatten
inzwischen den Anker gelichtet und uns von der Dominikanischen Republik
verabschiedet, nach gut sechs Wochen.
    Â»Wenn ich die Route richtig berechnet habe«, bemerkte Stefan,
»werden wir mal wieder nachts das Küstengebiet passieren.«
    Stefans Berechnungen waren richtig – wir fuhren im Dunklen an der
haitianischen Küste vorbei. Vereinzelte Lichter konnten wir erkennen, sonst war
alles in Finsternis getaucht. Dreimal wurden wir von der amerikanischen
Küstenwache kontrolliert. Jedes Mal checkten sie unsere Papiere, fragten, wie
viele Personen an Bord und wo wir vorher gewesen seien und wohin wir segeln
würden. Sie schrieben die Bootsnummer auf und teilten uns einen bestimmten UKW -Kanal zu, damit sie uns jederzeit anfunken konnten.
Als wir ihn eingestellt hatten, fragte uns sofort eine freundliche
Call-Center-Stimme: »Bitte identifizieren Sie sich … Wer ist an Bord? Welche
Nationalitäten? Wer ist der Eigentümer des Boots? Wo wollen Sie hin? … Vielen
Dank, und bitte bleiben Sie Stand-by.«
    Â»Was machen eigentlich die Amerikaner hier?«, fragte Stefan, nachdem
uns zum zweiten Mal Leute der US Coast Guard
angefunkt hatten. »Warum kontrollieren die uns? Und eigentlich kann doch jeder
kommen und sagen: › US Coast Guard‹. Nachdem wir
gerade Polizisten 200 Dollar für Diebesgut in die Hand gedrückt hatten, war
unser Vertrauen nachhaltig erschüttert.
    Â»Wahrscheinlich ist hier internationales Gewässer«, mutmaßte ich.
»Oder es hat etwas mit dem Status Haitis als Krisengebiet zu tun.«
    Später umkreiste uns noch ein US -Coast-Guard-Hubschrauber,
und ein amerikanisches Militärtankschiff kreuzte unseren Weg. Entsprechend froh
waren wir, als wir am 2. Februar 2010 den Hafen von Santiago de Cuba ansteuerten,
der zweitgrößten Stadt Kubas.
    Als Segler liebt man die Freiheit, überall ankern zu können, wo man
kann und will. Genau das war auf Kuba nicht möglich. Man durfte nicht nach
Belieben den Anker werfen, und schon gar nicht durfte man einfach irgendwo an
Land gehen. Die Marinas waren vorgegeben, und durch deren Tore hatte man den
Staat auch wieder zu verlassen. Mit anderen Worten: Alles war sehr restriktiv
geregelt, was wiederum viele Segler abschreckte, überhaupt Kuba anzusteuern.
Für uns war das Ansporn, uns die Insel genauer anzuschauen.
    Wir waren zunächst an Guantánamo vorbeigekommen, dem seit 1913 von
den

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