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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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sich nach Hause zum Essen ein, seine Frau
würde sich ebenfalls riesig freuen, uns kennenzulernen. Wir sagten ohne Umschweife
zu, und er zeigte uns das Haus, wo er uns am Abend erwarten würde.
    Das Haus war eher eine Hütte. Nachdem wir es am Abend betreten
hatten, standen wir auch schon in dem größten Raum, der Wohnzimmer und Küche
zugleich war. Der Fernseher lief, davor saßen drei Kinder auf einem alten,
löchrigen Sofa. Pedros Frau Luciá empfing uns mit einem strahlenden Lächeln,
und ich überreichte ihr die Gastgeschenke: Flip-Flops, einige Seifen und
Lotionen, eine alte Brille von mir, Cola und Fanta – zur Freude der Kinder – und
ein Tetrapak Wein.
    Mit der alten Brille hatte ich ins Schwarze getroffen: Luciá umarmte
mich immer wieder, denn sie konnte mit der Brille tatsächlich besser sehen. Und
sie passte sogar perfekt. Immer wieder sagte sie strahlend: » Anteojos, anteojos – Brille, Brille.«
    Beim Essen – Luciá servierte uns Reis, Huhn und Bohnen – klopfte es
ständig an der Tür. Pedro ging jedes Mal hin, aber er kam nie mit einer anderen
Person zurück. Das Einzige, was wir beobachten konnten: Bevor er sich in
Richtung Haustür bewegte oder wieder zurückkehrte, machte er sich am Kühlschrank
zu schaffen. Mal kam ein Huhn zum Vorschein, dann ein Fisch oder ein rotes
Stück Fleisch. Stefan und ich sahen uns an und ahnten: Pedro war ein
Schwarzmarkthändler. Das erklärte auch, warum er uns Huhn vorsetzen konnte,
denn normalerweise war Fleisch auf Kuba ein besonderes Essen. Pedro, nicht auf
den Kopf gefallen, erklärte später bei einem Glas illegal gebranntem Rum: »Ja,
ihr habt richtig gesehen, ich ernähre meine Familie mit Schwarzmarkthandel.«
    Â»Aber wieso an der Tür? Kann man euch dort nicht beobachten?«,
fragte ich.
    Â»Draußen ist es so stockfinster«, sagte Pedro, »da fällt es nicht
auf, was durch die verschiedenen Hände geht. Die wenigen Glühbirnen, die in
unseren Straßen funktionieren, liefern die beste Tarnung. In den Wohnungen kann
uns die Militärpolizei viel schneller was nachweisen, da kann man nicht einfach
etwas in eine finstere Ecke schmeißen und behaupten, es gehöre einem nicht.« Er
und Luciá lachten.
    Â»Aber wissen die Polizisten irgendwann nicht, wie der Hase läuft?
Die stellen sich doch darauf ein …«
    Pedros Lachen dröhnte abermals durch den kleinen Raum, dazu schlug
er sich mit der Faust auf die Brust. »Hier im Viertel bin ich der
Schwarzmarktkönig. Ich bin der Schwarzmarkt, besser gesagt, mein Kühlschrank.
Eben habe ich einem Polizisten einen Fisch gegeben.«
    Â»Aber er hat dir nichts dafür zurückgegeben«, bemerkte Stefan. »Ich
hab nicht gesehen, dass du etwas zurück in den Kühlschrank gelegt hast.«
    Â»Gut aufgepasst, Stefan. Der Fisch war der Lohn dafür, dass er den
Mund hält.«
    Â»Und sonst dealst du nur Ware gegen Ware?«
    Â»Manchmal spielt auch Geld eine Rolle, aber meistens geht es um
Waren. Vorhin war einer da, der mir einen Marlin anbot. Er wollte aber kein
Huhn, sondern Geld. Wir konnten uns nicht auf den Preis einigen, also lehnte
ich ab. Wahrscheinlich brauchte er das Geld für eine Frau oder für Alkohol.
Oder für beides.« Wieder lachte er sein schallendes Lachen, das angesichts
seines schmächtigen Körpers wirklich erstaunlich war.
    Bei Pedro sanken und stiegen die Preise wie an einer Börse, das war
knallharter Kapitalismus mitten in der sozialistischen Planwirtschaft.
    Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Und ein Tipp für euch:
Solltet ihr Ware schwarz kaufen wollen, müsst ihr früh am Morgen auf einen
Markt gehen, um diese Zeit sind noch keine Polizeistreifen unterwegs.«
    Erneut pochte es an Pedros Tür. Ob das Geschäft einträglich war,
konnten wir nicht beurteilen. In der Hütte sah es nicht danach aus. Aber wenn
es dadurch jeden Tag Fisch oder Fleisch für die Familie zu essen gab, konnte
man es so nennen. Lang nach dem Essen verabschiedeten wir uns herzlich von
Pedro und Luciá. Und noch auf der Baju klangen die
verschiedenen Klopfvarianten in unseren Ohren nach.

    Ein paar Tage später schlenderten wir durch die Straßen Santiago
de Cubas, als unmittelbar vor uns ein Polizeiauto mit quietschenden Reifen
hielt. Mehrere Uniformierte sprangen aus dem Wagen und schnappten sich einen
Mann, der unmittelbar

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