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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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Mitglied unserer Crew übergaben wir eines der kleinen
vorbereiteten Präsente, wie man es als guter Gast eben tut. Schon im Vorfeld
hatten wir in Erfahrung gebracht, worüber man sich auf Kuba besonders freuen
würde: Duschgels, Lotionen, Seifen, alles, was gut duftet. Stefan hatte
deshalb, als er noch arbeitete, jedes Hotelbadezimmer leer geräumt und die
Fläschchen in eine Kiste geschmissen. Diese kam mit auf die Baju ,
und nun sollten wir und unser kubanisches Empfangskomitee von den Vorräten
profitieren.
    Drei Stunden hatte die Prozedur gedauert, die Geschenke waren
überreicht, aber noch immer wollte keiner gehen. Die Krankenschwester, eine
junge Frau mit ausdrucksvollen Augen, fragte: »Habt ihr Magazine, die ich
anschauen kann? Auch wenn ich sie nicht lesen kann, das macht nichts. Ich sehe
mir gern die Bilder an, dann weiß ich, was die neueste Mode ist.«
    Irgendwo lagen noch ein paar Hochglanzzeitschriften herum, die
Tourengäste zurückgelassen oder wir von anderen Seglern im Tausch erhalten
hatten. Die drückte ich der Kubanerin in die Hand.
    Irgendwann zogen unsere Besucher dann aber doch noch geschlossen von
dannen, und wir atmeten erleichtert auf.
    Bei unserem ersten Landgang fielen uns wie den meisten
westlichen Kubabesuchern als Erstes die Fahrzeuge ins Auge. Amerikanische
Schlitten aus den Fünfzigerjahren, Ladas aus den Siebzigern. Trucks russischer
Bauart. VoPo-Kleinbusse, Volkspolizei-Busse aus der ehemaligen DDR , Pferdekarren und Eselskutschen. Überall wurde Musik
gemacht. Junge Männer saßen auf Treppen oder Plastikstühlen und spielten auf
ihrer Gitarre, oder die Salsamusik drang aus Radios. Als die Abenddämmerung
einbrach, begannen die Menschen auf der Straße zu tanzen.
    Die Stimmung der Menschen schien ungetrübt von der Tatsache, dass in
den Supermärkten so gut wie nichts zu bekommen war. Die Auslagen waren kaum
mehr als spärlich gefüllt. Und überall entdeckten wir lange Schlangen, manchmal
mussten die Einheimischen sich einen halben Tag anstellen, um ein Säckchen Reis
extra zu erstehen. Noch heute höre ich die Worte: » Quien es
último – wer ist der Letzte?«
    Zwar gab es die Grundnahrungsmittel gegen Lebensmittelmarken,
aber sie reichten meist nur zehn Tage. Alles Weitere musste über den
Schwarzmarkt organisiert werden. In den staatlichen Geschäften bezahlte man mit
dem Peso National, daneben existierte aber noch der Peso Convertible, auch CUC genannt. Mit dem CUC erhielt man auf dem Schwarzmarkt alles, es war einzig eine Frage des Preises.
Der durchschnittliche Monatsverdienst eines Angestellten betrug damals auf Kuba
200 Peso National. Und 25 Peso National waren 1  CUC .
Das hatte zu einer Zweiklassengesellschaft geführt, zu Menschen, die CUC hatten, und denen, die keine CUC hatten. Eigentlich war eine solche Zweiklassengesellschaft genau das, was die Revolución cubana hatte abschaffen wollen. Die offizielle
Einführung des CUC war aber notwendig geworden, um
ein gewisses Maß an Privatwirtschaft zuzulassen – denn sonst wären die Kubaner
nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten verhungert.
    An den Peso Convertible kamendie Familien
heran, die Verwandte in Florida oder sonstwo in Amerika hatten und die in der
Lage waren, Geld nach Hause zu schicken. Auf diese Weise lebten, ja, überlebten
von einem Exilkubaner oft mehrere Familien.
    Gleich am nächsten Tag zog es uns erneut in die aufregende Stadt
Santiago de Cuba. Sie war im 16. Jahrhundert Stützpunkt der spanischen Armada
gewesen, danach Ankunftshafen für die Sklavenschiffe aus Westafrika und im 20. Jahrhundert der Ort, an dem Fidel Castro am 1. Januar 1959 den Sieg der
Revolution ausrief. Die Architektur in der Innenstadt war, in Stefans Worten,
»der Hammer«. Alejo Carpentier, der kubanisch-französische Schriftsteller,
formulierte es etwas eleganter: Sie sei »Stein gewordene kubanische Musik«.
    Unterwegs auf unseren Streifzügen durch die engen Gassen kamen wir
mit Pedro ins Gespräch, es war inzwischen später Nachmittag. Pedro war von
magerer Gestalt und hatte ein langes, schmales Gesicht mit dunklen Augen und
noch dunkleren Augenringen, umrahmt von schwarzen kurzen Haaren. Er trug ein
blaues Sportshirt in einem glänzenden Stoff und eine helle lange Hose. Die
selbst gedrehte Zigarette, die in seinem Mundwinkel hing, ließ ihn besonders
lässig wirken. Sofort lud er uns zu

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