Blauwasserleben
wollten.
»Wo verstecken wir die?«, fragte ich Stefan.
»Gute Frage. Vielleicht in der Bilge, zwischen den beiden Leinen.
Aber wenn wir wieder segeln, sollten wir sie schnell parat haben.«
Als die Polizei die Pistole nach der Ermordung
von Stefan fand und ich den Beamten sagte, dass ich sie nicht bedienen könne,
meinten sie: »Wie unverantwortlich. Wenn man schon eine Waffe an Bord hat, muss
man wissen, wie sie funktioniert.«
Ein anderer völlig untypischer Segler, mit dem wir am RÃo
Dulce viel Zeit verbrachten, war Zlatan. »Crazy Zlatan«, wie wir ihn nannten.
Er kam aus Kanada, seine Eltern stammten aus Mazedonien, er selbst war 27Â Jahre
alt und so gut aussehend, dass er, wenn er es darauf ankommen lieÃ, jede Nacht
mit einer anderen Frau auf seinem Schiff Brasina ,
einem Einrumpfboot, verschwinden konnte â ohne dafür wie Colin bezahlen zu
müssen.
Als wir Crazy Zlatan kennenlernten, saà er in der Casa Perico der
drei Schweizer auf einem der Bambusstühle vor einer Flasche Bier. Wir kamen
rasch ins Gespräch. Er war uns schon beim Betreten der Lodge aufgefallen, weil
er äuÃerlich auch der jüngere Bruder von Stefan hätte sein können und Spanisch
mit einem deutschen Akzent sprach.
»Bist du ein Backpacker?«, fragte Stefan.
»Wie kommst denn darauf?« Zlatan stieg augenblicklich in das
Gespräch ein.
»Du schaust wie einer aus.«
»Nein, ich bin Bootsbesitzer wie ihr.«
»Woher weiÃt du denn das?«
»Die Dschungeltrommeln funktionieren hier. Hab einfach schon von
euch gehört. Ein junges Paar und ein toller Katamaran. Schön, dass wir uns
endlich begegnen.«
Kurze Zeit später erzählte er, dass er in Kroatien aufgewachsen und
während der Jugoslawienkriege in den Neunzigerjahren mit seinen Eltern und
Geschwistern nach Berlin geflohen sei. Von dort wäre die Familie nach Australien
ausgewandert. Jetzt war klar, warum Zlatan â inzwischen hatte er uns seinen
Namen verraten â so gut Deutsch konnte.
»Und wie war es für dich in Berlin?«, fragte ich.
»Unsere Wohnung war immer voll von Flüchtlingen«, bemerkte er ernst.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass wir einmal allein in ihr waren. Das
Wohnzimmer war ständig belagert von Leuten, die dort übernachtet haben. Mein
Vater hat alles getan, was in seinen Möglichkeiten stand, um anderen
kroatischen Familien zu helfen.«
Diese Erfahrung musste ihn sehr geprägt haben, denn als wir ihn
näher kennenlernten, zeigte sich, dass er immer zuerst an andere dachte, genau
beobachtete, ob es ihnen gut ging, bevor er auf sich selbst achtete.
Warum er sich in Amerika die Brasina gekauft hatte und seitdem alleine durch die Welt segelte, bekamen wir nicht aus
ihm heraus. Aber wie wir wollte er am RÃo Dulce das Ende der Hurrikansaison
abwarten. Doch es war nicht seine erste, sondern seine zweite Saison. Der Fluss
schien eine gewisse Magie zu besitzen, mit der er Segler in seinen Bann schlug.
Doch was machte diese Magie aus? Frauen und Dope hatten wir bei Colin vermutet.
Und bei Zlatan? Vielleicht der Mix aus Ausländern und einheimischer
Bevölkerung? Dass man überall nur mit dem Boot hinkam? Der lebendige Dschungel?
Der billige Tetrapack-Wein aus Chile?
»Und warum ziehst du nicht weiter?«, fragte Stefan. »Du kannst doch
nicht ewig hier hängen bleiben?«
»Ach«, antwortete Zlatan, wobei er die Worte dehnte. »Ich habe eine
günstige Marina gefunden, am Boot gibt es immer etwas zu tun, und eine Tüte
Hasch kostet zehn Centavos« â das war umgerechnet ein Euro â »keine schlechten
Bedingungen. Und mit Reis und Bohnen kommst du immer über die Runden.«
Das günstige Dope spielte also auch hier eine groÃe Rolle.
»Ich finde es toll«, sagte Zlatan an einem anderen Abend in der Casa
Perico, »dass ihr zu zweit segelt.«
»Das könntest du doch auch«, konterte ich.
»Schon, aber du musst bedenken: There is only one
dinghi, dude! In einer WG kann man leicht
mit einer Frau oder einem Mann zusammenleben, auf dem Boot geht so etwas nicht
so einfach.«
»Aber komm, du genieÃt doch dein Leben als Single«, warf ich ein.
»Du kannst jeden Abend eine andere Frau haben, musst auf niemanden wirklich
Rücksicht nehmen. Du bist völlig frei.«
»Das sieht nur von auÃen betrachtet so toll aus.« Nachdenklich nahm
Crazy Zlatan einen Schluck
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