Blauwasserleben
beschwerliche Reise in das Hochland Peten aufbrach.
Mit dem Bus fuhren wir zum Izabal-See und erkundeten dort ein
kleines Fort. Anfang des 16. Jahrhunderts, als Spanien und Guatemala Handel
trieben, wurden die finanziellen Verluste durch englische Piratenangriffe immer
gröÃer. Am Izabal-See wurde deshalb 1652 ein spanisches Fort auf einer kleinen
Halbinsel zum Schutz gegen die Piraten erbaut. Ende des 17. Jahrhunderts, als
die Piraten Geschichte waren, wurde das Fort als Gefängnis genutzt.
Später entdeckten wir nach einer kurzen Dinghi-Fahrt inmitten eines
Mangrovenhains eine Dschungel-Lodge mit einer Bar. Sie hieà Casa Perico und
wurde von drei Schweizern geführt, Albert, Peter und Hubert. Die drei waren vor
Jahren hierher ausgewandert und hatten inzwischen guatemaltekische Frauen
geheiratet und mit ihnen Familien gegründet. Einmal in der Woche gab es dort
ein sagenhaftes Büfett mit Schweizer Spezialitäten.
Seit Tagen regnete es schon. Tropenregen. Es war grau und
trist. Eine Kaltfront lag über uns und wollte einfach nicht weiterziehen. Unser
Deck brauchte dringend einen neuen Anstrich, das war wegen des schlechten
Wetters aber nicht möglich. Dennoch mussten wir mit der Dose Farbe, die wir
noch in Fronteras gekauft hatten, einen Probeanstrich machen.
»Komm, Heike, ich bastle am Schwert, und du streichst«, versuchte
mich Stefan zu motivieren. »So können wir sehen, ob die Farbe passt und
wirklich rutschfest ist. Das gesamte Deck streichen wir auf unserer
Weiterfahrt, dafür finden wir eine schöne sonnige Insel.«
Während ich dabei war, an einer trockenen Stelle den Probeanstrich
vorzubereiten, hörten wir jemanden »Hola amigos!« rufen.
Stefan und ich blickten über Bord und sahen einen Einheimischen, der
tropfnass in seinem Holzkanu saÃ. Er wollte uns eine Schale aus Palmenholz
verkaufen. Im Grunde brauchten wir keine Holzschale. Aber so durchweicht wie
der spargeldürre Jugendliche da in seinem Boot saÃ, hungrig dreinblickend, war
ich nahe daran, mich erweichen zu lassen.
In diesem Augenblick fragte der Durchnässte auf Spanisch: »Habt ihr
Arbeit für mich?«
Auf Deutsch sagte ich zu Stefan: »Findest du nicht, dass der junge
Mann unser Unterwasserschiff schrubben könnte?«
Ricardo, so hieà der junge Mann, nahm mit leuchtenden Augen unser
Arbeitsangebot an, zumal wir ihn mit einem regionalen Spitzenlohn entlohnten
(der Tageslohn für einen ungelernten Arbeiter betrug in Guatemala damals sieben
Euro) â dazu luden wir ihn zu einem warmen Mittagessen ein.
Während wir zusammen aÃen, erfuhren wir, dass er zwanzig war und
vier jüngere Geschwister hatte, die alle im Waisenhaus lebten. Er sei immer
froh, wenn ihn Yachtbesitzer für einen Job anheuern würden. Seine Geschwister
würden im Waisenhaus die Schule besuchen, doch das koste im Monat viel Geld.Zum Abschieddrückten wir Ricardo
seinen Lohn und noch ein paar Kekspackungen für seine Geschwister in die Hand.
Unangenehme Nachbarn, vor denen Stefan gewarnt hatte, gab es in der
Mango Marina zum Glück nicht. Dafür gab es einen ganz speziellen Charakter
namens Colin. Nicht der Typ Backpacker, wie wir ihn in Belize so oft
angetroffen hatten. Bei den Backpackern kreisten die Gespräche meist um
Waschsalontipps, Grillpartys am Strand, Sex, Liebe und SpaÃhaben.
In der kleinen Community der Segler ging es eher um die Reparatur
des Gasbackofens, des Autopiloten oder um die neuesten Wetterprognosen. Doch
Colin entsprach auch nicht dem gewöhnlichen Segler. Er strahlte etwas aus, das
am ehesten mit alternativer Lebensentwurf zu umschreiben war.
»Hi«, hatte er uns eines Tages begrüÃt. »Ich bin Colin.« Der groÃe
Mann mit dem blonden Schnauzer war Amerikaner, vielleicht Ende vierzig,
vielleicht auch Ende fünfzig; es war schwer einzuschätzen, ein ausgeblichenes
Tattoo auf seinem Oberarm war nicht zu übersehen. So wie es bei ihm an Deck
seiner zwölf Meter langen Segelyacht aussah, hatte er schon einige Jahre an
diesem Holzsteg sein Boot festgemacht. (Insgesamt fünf, wie wir später
erfuhren.) Es war komplett vollgestellt, überall standen Kisten mit billigem
Krimskrams herum. Es schien, als gehörte er zu jenen Seglern, die im RÃo Dulce
hängen geblieben waren. Das Wetter war zu schön, Drogen und Frauen waren
günstig zu haben. Gründe gab es immer, nicht mehr die Segel zu
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