Blauwasserleben
hissen.
»Hey«, hatten wir von unserem Katamaran zurückgerufen. »Wir sind
Heike und Stefan.«
Eines Abends saÃen wir gemeinsam bei einem Sundowner auf seinem
Boot, und Stefan fragte Colin, ob er einen fliegenden Laden betreiben würde.
Colin grinste breit unter seinem Schnauzer. »Hab gerade günstig
einen Restposten Gasanzünder aus Amerika bekommen. Solltet ihr einen brauchen â¦
Im Angebot sind auch Messer, Sprachcomputer, Uhren, Deodorants. Eigentlich alles.«
Sein Grinsen wurde noch breiter, als er mich fixierte und hinzufügte: »Und dann
hab ich da auch noch ganz heiÃe Ware â¦Â«
»Wieso schaust du mich an?« Ich musste lachen, Colin war ein Typ,
den man sofort mochte.
Er zog eine Kiste zu sich heran und holte eine Handvoll Stringtangas
hervor, in Lila, Rot, Schwarz, mal mit Spitze, mal ohne, aber stets ein Hauch
von Nichts.
»Die Frauen hier sind ganz wild drauf, der absolute Hit. Wären
solche Dinger nicht auch was« â er zwinkerte mir zu â »für dich?«
»Nein, nein«, wehrte ich ab. »Das ist überhaupt nicht mein Stil.«
»Schade«, meine Colin, »aber es stimmt, meine Stringtangas kaufen
meist Prostituierte â oder Männer für ihre Frauen. Für welche auch immer.«
Colin musste dabei an seine aktuelle Flamme gedacht haben â oder an
»welche auch immer«. In den nächsten Monaten fanden wir nämlich heraus, dass
die Damen auf seinem Boot rasch wechselten, zwar nicht täglich, aber doch
wöchentlich. »Das ist meine neue Freundin«, so stellte er die deutlich jüngeren,
deutlich überschminkten Frauen jedes Mal vor. Ohne Namen â wahrscheinlich
konnte er sich die selbst nicht merken, obwohl er für einen Amerikaner
auÃergewöhnlich gut Spanisch sprach. Manchmal sagte er: »Das ist eine Kundin!«
Stefan und ich konnten uns ein Grinsen kaum verkneifen.
»Was kostet denn eine Kundin?«, fragte ich ihn einmal. »Wie viele
Stringtangas?«
»Das bleibt mein Geheimnis«, bemerkte Colin süffisant.
Colin hatte nie einen Beruf ausgeübt. Als junger Mann war er mit
einem Anhänger durch Amerika gefahren, kaufte Sachen auf StraÃenflohmärkten
auf, die er dann zu Auktionshäusern brachte. In Miami besaà er schlieÃlich
selbst ein solches Haus, zusammen mit einem Freund. Irgendwie ging dann alles
den Bach hinunter, sodass er ein Boot erwarb, um in der Karibik Geschäfte zu
machen.
Bei einem unserer nächtlichen Treffen sah uns Colin einmal
eindringlich an: »Ihr braucht eine Waffe! Bestimmt habt ihr keine Waffe an
Bord.«
»Hast du denn eine an Bord?«, fragte Stefan.
»Klar, alle Amis führen Waffen mit sich.«
Bevor wir mit der Weltumsegelung starteten, hatte man uns in der
Türkei eine Pistole angeboten. Wir lehnten ab, dachten, dass eine Waffe bei uns
an Bord nichts zu suchen hat. Wir wollten offen auf alle Menschen zugehen.
Nahmen wir an, dass ständig etwas passieren konnte, so argumentierte ich,
würden wir die Leute ganz anders betrachten. Stefan teilte meine Meinung. Und
unsere Einstellung war richtig und galt ohne Einschränkung für das Mittelmeer,
die Kanarischen Inseln und die Kapverden. Mit dem karibischen Inselbogen fing
sie jedoch an zu wackeln. In der Dominikanischen Republik und erst recht in
Mittelamerika war Piraterie unter den Fahrtenseglern ein groÃes Thema. Erst
wenn man selbst in unsicheren Gewässern unterwegs ist, begreift man: Auf dem
offenen Meer ist man gewaltbereiten Menschen vollkommen ausgeliefert, eine
Waffe erscheint einem da leicht als die einzige Möglichkeit, sich zu wehren.
»Meinst du, wir brauchen doch eine Waffe?«, hatte ich Stefan bereits
vor der Küste Venezuelas gefragt, nachdem wir erneut von bedrohlichen
Situationen gehört hatten.
»Ganz ausschlieÃen würde ich das nicht mehr«, hatte er erwidert.
»Aber wo sollen wir uns eine Waffe besorgen? Wir können kaum im
nächsten Hafen in einen Laden gehen und sagen: âºGuten Tag, wir hätten da gern
mal eine Pistole, mit der wir uns gegen Piraten verteidigen können.⹠Der Besitz
ist illegal, wir haben keinen Waffenschein. Und kannst du überhaupt mit einem
solchen Ding umgehen?«
»Klar, das hab ich bei der Bundeswehr gelernt. Ich weiÃ, wie man
eine Waffe reinigt, wie man eine Patrone einlegt, wie man schieÃt. Sollten wir
an eine Waffe kommen können, sollten
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