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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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Baju an Land
zu hieven. Arihano jedoch war abseits stehen geblieben, am Rand der Palmen.
Irgendwie seltsam.
    Ich machte mir einen zweiten Kaffee – und es fiel mir ein Satz ein,
den Stefan schon mehrmals geäußert hatte: »Schlafen kannst du, wenn du tot
bist.« Er hatte ihn immer angebracht, wenn ich zu müde war, ihn bei einer
Unternehmung zu begleiten – und meist hatte er mich damit auch überreden können.
Dieses Mal hatte er ihn nicht gesagt.
    Die nächsten Stunden waren wunderbar. Ich las, schlief, nahm
Funkverbindung mit Daphne und Vries auf: »Stefan ist losgegangen, um Ziegen zu
schießen. Kommt doch heute Abend zum BBQ bei
Sonnenuntergang an den Strand.« Nachdem wir noch einige Informationen
ausgetauscht hatten, verabschiedete sich Vries wie immer mit den Worten: » Aquamante , Stand-by auf Kanal 6, over
and out .«
    Die Yacht der Holländer ankerte am späten Nachmittag hinter der Baju , in weit tieferem Gewässer. Wir nahmen uns wahr,
suchten uns aber nicht gegenseitig auf, sie waren ein Seglerpaar wie wir, das
wusste, wann man die Privatsphäre anderer zu wahren hatte. Sie konnten sich
denken, dass ich es genießen würde, einmal ein paar Stunden für mich zu haben.
Im Nachhinein erfuhr ich, dass Daphne sich große Sorgen gemacht hatte, als die
Dunkelheit hereinbrach und Stefan immer noch nicht zurück war. Aber höflich,
wie sie waren, wäre es ihnen aufdringlich vorgekommen, hätten sie mich
angefunkt.
    Ich selbst wurde überhaupt nicht unruhig. Typisch Stefan, dachte
ich. Spät los, und dann mussten sie bestimmt eine Stunde laufen, um überhaupt
in ein Gebiet zu kommen, in dem die wilden Ziegen lebten. Wahrscheinlich hatte
alles länger gedauert, wahrscheinlich hatten sie keine Taschenlampe dabei. In
meiner Vorstellung sah ich die zwei bei Ziegenbraten und Rum am Lagerfeuer
sitzen. Stefan hätte kaum gesagt: »Es ist spät, ich muss zurück aufs Boot.«
Oder: »Ich muss Heike Bescheid sagen.« Wenn er sich keine Sorgen machte, dann
tat ich es auch nicht. Nach siebzehn gemeinsamen Jahren war das für mich
normal. Verrückte Dinge zu tun, das passte eben zu Stefan.
    Zufrieden mit dem Leben aß ich unsere Avocados. Ein weiterer Tag in
der Sonne wäre ihnen nicht gut bekommen. Fast schon hatte ich ein schlechtes
Gewissen, weil ich wusste, dass Stefan diese Baumfrüchte ebenfalls über alles
liebte. Gut, er hatte ja seinen Ziegenbraten, das war sicher auch nicht
schlecht.
    Die letzte Avocado war ausgelöffelt, noch ein Stück Baguette zum
Schluss, eigentlich könnte ich jetzt erneut Funkkontakt mit Daphne und Vries
aufnehmen, überlegte ich. Und erzählen, dass es wohl heute kein Barbecue geben
wird.
    In diesem Moment hörte ich jemanden rufen: »Heike.«

 

Das Meer ist meine Rettung
    Â»Du stirbst jetzt.« Arihanos Augen haben einen starren Ausdruck
angenommen. Er meint, was er sagt. Er wird gleich abdrücken. Reflexartig reiße
ich mit der linken Hand den Lauf seines Gewehrs hoch und schreie: »Nein!«
Einfach nur »Nein«.
    Zwischen mir und dem Jäger kommt es zu einer Rangelei. Schließlich
liege ich auf den Knien, mein Kopf ist auf den Waldboden gepresst. Noch immer
umklammere ich mit der linken Hand den Gewehrlauf. Arihano muss auf mir liegen,
ich registriere den Druck auf meinem Rücken. Zugleich bemerke ich, dass ich die
Taschenlampe nicht mehr in der Hand halte. In dem Gerangel muss ich sie
verloren haben.
    Irgendwie gelingt es mir, an den Abzug des Gewehrs zu gelangen. Ich
drücke ab, doch es passiert nichts. Vielleicht ist das Gewehr nicht geladen?
Der Mann würgt mich, nimmt mich in den Schwitzkasten. Ich denke: Es ist vorbei.
Ich werde sterben. Doch merkwürdigerweise spüre ich keine Furcht vor dem Tod.
    Im nächsten Moment fesselt der Marquesaner meine Hände mit einem
Plastikseil hinter meinem Rücken und schlägt meinen Kopf mehrmals auf die Erde.
Dann drückt er brutal meinen Hals zu und brüllt: »Sei endlich still, schrei
nicht so rum!«
    Während ich nach Luft schnappe, versuche ich einen klaren Gedanken
zu fassen: Dadurch, dass er mir die Luft abgedrückt hat, demonstriert er mir
seine Macht. Er hat mir gezeigt, was passiert, wenn ich mich wehre. Schreien
macht auch keinen Sinn, das Dorf liegt weit weg, niemand wird mich hören. Ich
kann mich nur noch mit Worten befreien. Noch immer habe ich nicht
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