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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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springe ich in die Wellen, schmeiße mich ins Meer, schlucke
salziges Wasser. Augenblicklich saugen sich meine Klamotten mit Wasser voll.
    Nach einigen Brustzügen halte ich mich für einen Moment an einer
weißen Boje fest, die für Touristenboote gedacht ist. Ich verstecke meinen Kopf
dahinter. Irgendwo weiter vorne müsste unser Beiboot am Strand liegen, aber ich
kann es nicht erkennen. Vielleicht ist die Entfernung zu groß, vielleicht hat
der Täter es sich schon geschnappt und ist hinter mir her. Ich lasse die Boje
los und schwimme so schnell ich kann weiter. Meine Beine brennen, das Salzwasser
frisst sich in die blutigen Schürfwunden. Meine Hose hat sich voll Wasser
gesaugt. Um besser schwimmen zu können, ziehe ich sie aus.
    Wo soll ich hinschwimmen? Rechts in der Bucht liegt die Baju . Weit dahinter die Segelyacht von Daphne und Vries. Vielleicht
ist Arihano auf unserem Boot. Ich habe keine Alternative. Ich muss zur Aquamante . Ein Zug nach dem anderen. Die Kraft lässt nach.
Ich schaffe es nicht, denke ich – und ahne nichts davon, dass mein Verfolger
mich in diesem Moment vom Strand aus beobachtet.
    Ein lauter Schrei. »Heike!« Es ist nicht die Stimme von Arihano. Es
ist die Stimme von Daphne.

Wo sind meine Schuhe?
    Daphne sieht mich vom Boot aus verwirrt an.
    Â»Heike!«, schreit sie. »Was ist passiert?«
    Â»Pst, pst«, flüsterte ich, »der Typ, der Typ …« Ich wiederhole die
Worte mehrmals, die Angst, von ihm entdeckt zu werden, sitzt mir immer noch im
Nacken.
    Â»Ich schaffe es nicht mehr«, keuche ich. »Ich kann nicht mehr.«
Trotzdem schwimme ich die letzten Meter weiter.
    Die Holländerin lässt die Badeleiter herunter. Als ich sie endlich
erreiche, klammere ich mich an den Leitersprossen fest. Daphne zieht mich die
Stufen hinauf, eine nach der anderen. An der Reling steht Vries. Sein Gesicht
ist angespannt.
    Â Mein ganzer Körper zittert,
vorsichtig geleiten mich die beiden Freunde aufs Deck, drücken sacht meine
Schultern herunter, damit ich mich hinsetze. Daphne streichelt mich. Ich
schluchze und kann kein Wort hervorbringen.
    Â»Es ist alles gut«, sagt sie, es ist jetzt eher ein Wispern. Fragend
sieht sie mich an. »Was für ein Typ?« Doch sie dringt nicht weiter in mich. »Du
musst aus den nassen Sachen raus und duschen, das hilft. Warm duschen.« Auf
ihrer Yacht gibt es warmes Wasser.
    Da ich wie benommen bin und mich nicht bewegen kann, streift sie mir
mein T-Shirt und meine Unterwäsche vom Leib und drückt mir den Duschkopf in die
Hand. Unweigerlich gehe ich sparsam mit dem Süßwasser um, eine alte Angewohnheit.
    Â»Heike, nun dusch aber richtig«, fordert mich Daphne auf, der meine
Zurückhaltung nicht entgangen war. »Lass das Wasser richtig laufen.« Das warme
Wasser fühlt sich angenehm auf meiner kalten Haut an.
    Nachdem ich die Brause abstelle, hüllt mich Daphne wie ein kleines
Kind in ein großes Handtuch, trocknet mich ab, zieht mir trockene Sachen von
sich an. Nichts kann ich selbst machen. Aber langsam spüre ich wieder etwas,
Erleichterung, dass es endlich vorbei ist. Aber wo ist Stefan? Sofort tauchen
die schrecklichen wieder Gedanken auf.
Was hat dieser Typ mit Stefan gemacht?
    Vries, der in der Zwischenzeit Tee zubereitet hat, sagt, dass ich
ihn trinken soll. Wir sitzen im Cockpit der Yacht.
    Â»Kannst du jetzt erzählen?«, fragen mich beide.
    Ich nicke und schildere in allen Details, was ich in den letzten
Stunden erlebt habe. Verwirrung, Unfassbarkeit spiegelt sich auf ihren
Gesichtern. Als ich fertig bin, bemerkt Vries nur: »Wir müssen sofort die
Gendarmerie anrufen.«
    Alles Weitere nimmt er in die Hand. Über sein Satellitentelefon will
er die Polizei informieren. Er landet nicht gleich bei der richtigen Stelle,
sondern bei einer Frau, die aber eine Verbindung zur Gendarmerie in Taiohae
herstellt. In einer Kurzversion gibt er meine Geschichte wieder.
    Schließlich ist das Telefonat beendet. Vries dreht sich zu mir um
und sagt: »Sie werden, so schnell es geht, kommen. Ich werde in der
Zwischenzeit an Land gehen und nachschauen, ob ich Stefan finden kann.«
    Â»Nein!«, schreit Daphne. »Wir bleiben hier nicht allein zurück. Da
sind fünf Leute dort draußen. Wer weiß, was dir und was uns geschehen kann.«
    Ich stimme ihr zu: »Wir sollten zusammenbleiben, keiner sollte die Aquamante verlassen.«
    Vries nickt.
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