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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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genügend
Sauerstoff in meinem Körper, als er meinen Kopf hochreißt.
    Â»Ich mache nichts. Was willst du von mir?«
    Â»Ich will Sex, und die vier anderen, die bei Stefan sind, wollen Geld.«
    Oh Gott.
    Der Tätowierte ist nicht allein. Er und seine Kameraden haben Stefan
in ihrem Gewahrsam, er ist gar nicht verletzt, sie wollen nur Geld. Lösegeld.
Der Typ wird mich vergewaltigen, paddelt dann lautlos zum Boot zurück, um das
Schiff auszurauben. Die erste Feststellung erschreckt mich mehr als die zweite.
Wie kann ich ihn davon abbringen, dass er mich missbraucht? Mir fällt ein, was
wir einmal gesagt hatten, Stefan und ich. Beide waren wir uns einig, dass wir
bei unserer Weltumsegelung nie Angst vor der Natur haben müssten, immer nur vor
Menschen. Und ich hatte mir klargemacht, sollten wir es einmal mit Piraterie zu
tun bekommen, so wäre ich als Frau besonders gefährdet. Um mich zu schützen,
hatte ich mir eine Strategie ausgedacht. Ich würde erzählen, sie könnten keinen
Sex mit mir haben, weil ich Aids hätte. Dass ein Pirat Kondome aus seiner
Hosentasche zieht und sie benutzt, konnte ich mir nicht vorstellen. Vielleicht
hilft diese Taktik jetzt, überlege ich. Doch erst versuche ich einen anderen Weg:
    Â»Du willst gar keinen Sex. Eigentlich willst du nur Geld. Auf dem
Boot ist ganz viel Geld. Wir können es zusammen holen …«
    Â»Irrtum. Ich will Sex.« Der Mann lässt nicht locker.
    Â»Du wirst aber sterben. Ich bin krank, ich habe Aids. HIV .«
    Doch er lässt nicht von mir ab, sei es, weil er meine Lüge
durchschaut, sei es, weil er nur das französische Wort für Aids kennt, SIDA , das mir in meiner Panik nicht einfallen will.
    Mit der rechten Hand hält der Marquesaner meine gefesselten Hände
fest, mit der linken betatscht er meine Brust. Erst durch das T-Shirt, das ich
trage, dann darunter. Danach schiebt er seine Hand in meine orangefarbene weite
Hose. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken. Ich versuche seine Hand
wegzudrücken, was mir mit meinen gefesselten Händen nicht gelingen will. Sein
Atem beschleunigt sich. »Nein, du willst keinen Sex mit mir haben.« Ich
versuche weiter, mit ihm zu diskutieren. Was für eine absurde Situation.
    Auf einmal lässt er ab von mir. Er wirkt überrascht und seltsam
planlos. Mir wird schwindelig. Ich habe das Gefühl, wegzukippen. Um nicht zu
fallen, lehne ich mich mit der Stirn an einen Baum, der in unmittelbarer Nähe
steht. Mit den gefesselten Händen kann ich mich nicht abstützen. Ich sage: » Fatigué, fatigué« und glaube damit auszudrücken, dass ich
Gleichgewichtsstörungen habe. Fatigué heißt aber
etwas anderes, nämlich »müde«. Tatsächlich antwortet Arihano: »Atme erst einmal
tief ein und aus.« Das sagt derselbe Mann, der mich umbringen und vergewaltigen
wollte. Das Gefühl, schutzlos ausgeliefert zu sein und nicht zu wissen, was
Arihano noch alles mit mir machen wird, ist unerträglich.
    Ich frage nach Wasser, in der Hoffnung, den Schmerz in meiner Kehle
lindern zu können. Doch statt mir Wasser zu geben, befiehlt er: »Setz dich auf
die Plastikplane.« Auf dem Boden sehe ich erst jetzt eine riesige, vor einem
Baum ausgebreitete Plastikplane. Er muss sie, wie zuvor meine Fesseln, aus dem
Rucksack geholt und vor den Baum gelegt haben, ohne dass ich es bemerkte.
    Ich will mich neben die Plane setzen. Da sie mehrere Meter groß ist,
habe ich Angst, dass er mich darin einwickeln will. »Nein, auf die Plane!« Ich
folge seinem Befehl. Er nimmt seine Schnur und bindet mich an den Händen und am
Hals an dem Baum fest. Ich würge, und es tut höllisch weh. Ich halte meinen
Hinterkopf eng an die Rinde gepresst, um mehr Luft zu bekommen. Dann bindet er
meine Füße zusammen, die ich auf der Plane ausstrecken soll. Schließlich packt
er meine Beine in die Plastikplane ein. Warum nur meine Beine? Was hat er mit
mir vor?
    In den Mund stopft er mir ein altes T-Shirt, das er ebenfalls seinem
Rucksack entnommen hat – war das alles geplant? –, und zieht mir die losen
Stoffenden über die Nase, sodass ich erneut fast keine Luft mehr bekomme. Ich
schüttle mich, versuche Laute von mir zu geben, um ihm verständlich zu machen,
dass ich nicht atmen kann. Er zerrt das T-Shirt wieder heraus und stopft es
diesmal nur in den Mund. Wenigstens lässt er meine Nase frei, damit ich Luft
kriege.
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