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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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die Mortmaine waren. Sie hörten nämlich sofort auf, mich zu löchern.
    »Ich bin so eifersüchtig«, sagte Lecy und lehnte ihre Schulter an meine. »Das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
    »Ich auch«, sagte Petra und lehnte sich so fest gegen meine andere Schulter, dass es wehtat.
    Aber ich war Lichtjahre von Schmerzen entfernt. Ich konnte es gar nicht abwarten, Rosalee von allem zu erzählen.
    Sie würde zugeben müssen, dass ich von nun an dazugehörte.

    Nach der Schule wartete Wyatt bei den Fahrradständern auf mich.
    Die morgendlichen Wolken hatten sich aufgelöst, und er stand kristallklar im brennenden Sonnenlicht, groß und aufrecht mit seinem grünen Shirt wie ein junger Baum. Fest. Nichts an ihm ließ vermuten, dass ich gesehen hatte, wie er sich verflüssigt hatte. Er sah so normal aus. Wie … ein Pfadfinder.
    Er sah mich geradeheraus an. »Wir müssen darüber reden, was du da drin gesehen hast.«
    Ich kettete mein Fahrrad los. »Ich weiß nicht, was ich gesehen habe.«
    »Du weißt verdammt noch mal ganz genau, was du gesehen hast!«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war eine unwillkürliche, verneinende Geste, denn alles, was ich gesehen hatte, überschwemmte mich gerade. Ich sprang auf mein Rad und fuhr davon.
    Aber Wyatt ließ mich nicht so einfach davonkommen.
    Er kam mir nach und joggte neben mir her, als ich vom Schulgelände fuhr und eine schattige, von Hartriegelbäumen gesäumte Straße entlangradelte. »Warum redest du nicht mit mir?«
    »Ich will erst mit Rosalee reden.« Ich hatte es selbst nicht gewusst, bis ich es laut ausgesprochen hatte.
    »Dann komm ich später vorbei.«
    »Du weißt, wo ich wohne?«, fragte ich erstaunt.
    »Rosalees Haus.« Er sagte es, als ginge es um die Freiheitsstatue oder Mount Rushmore. »Hanna.« Er griff nach meinem Lenker und hielt mein Fahrrad an, sodass es mich durchschüttelte. »Sag Rosalee nichts von mir, okay?«
    Er sah so besorgt aus, dass ich nicht anders konnte, als beleidigt zu sein. »Ich will ihr von dem Lockvogel erzählen, nicht von dir .«
    Erleichtert strahlte sein Gesicht auf. Er trat einen Schritt zurück und ließ mich weiterfahren. Ich war schon am Ende der Straße, als er rief: »So um fünf, okay?«
    Aber ich drehte mich nicht um.
    Der Schock, den mir die Ereignisse im Sekretariat versetzt hatten, ließ nach, und ich war wieder entspannt genug, um mich daran zu erinnern, wie sauer ich auf Wyatt war. Wenn man sich bei niemandem auskotzen kann, bleibt alles innen drin und fängt an zu gammeln wie altes Fleisch in einem warmen Kühlschrank. Aber nach meinen Fortschritten in der Schule konnte ich mir vielleicht bei Rosalee Luft machen.
    Als ich dann aber endlich zu Hause ankam und fast platzte vor Mitteilungsbedürfnis, war Rosalee nicht mal da. Es gab keinen Grund, warum sie hier sein sollte. Sie war an keinem Nachmittag zu Hause gewesen, seit ich bei ihr wohnte. Ich vermutete, dass sie ihre Nachmittage für ihre Kunden reserviert hatte, aber ich hatte doch irgendwie gehofft, dass mein Bedürfnis nach ihr sie spontan herbeigezaubert hätte.
    Ich ging in ihr Zimmer. Wenn ich sie schon nicht haben konnte, wollte ich wenigstens von ihrem Wesen umgeben sein, und Rosalees Zimmer war so unbequem und abweisend, dass es sich anfühlte, als sei ich mit ihr zusammen.
    Karges, hartes Mobiliar stand auf dem kalten Holzboden. Es bestand aus Vitrinen und unzähligen Schubladen. Alle waren fest verschlossen und verriegelt. Aus ihrem Kleiderschrank quoll schwarze Kleidung: bequeme Pullover und Yogahosen auf der rechten Seite, enge, knappe Arbeitskleidung auf der linken. Ich sollte ihr ein Kleid nähen – etwas Un-Nuttiges. Etwas Schönes und Helles. Würde sie etwas tragen, das nicht schwarz war? Ich wette, das würde sie, wenn ich ihr etwas Rotes machte.
    Ich ging zu ihrem Nachtschränkchen, das ich mir für zuletzt aufgehoben hatte, weil ich neugierig wie Hölle darauf war, was sich in der roten Box befand. Aber die Schublade war abgeschlossen. Und der Schlüssel hing an ihrem Armband.
    Ich lief kurz rauf in mein Zimmer, ging dann wieder nach unten und zog Rosalees Bett ab. Ich hatte eine Nadel und roten Seidenfaden mitgebracht, und jetzt stickte ich »Ich liebe dich« in ihre Matratze.
    Als ich das Bett wieder machte und mich reinlegte, stellte ich mir vor, wie diese Worte in ihren Körper krochen und ihren Widerstand aufweichten.

11

    Um Punkt fünf Uhr klopfte Wyatt an die Tür, frisch und makellos in seinem grünen Oberhemd. Ich wette, er wusste,

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