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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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gehst du hin?« Er schien außer sich zu sein, als wollte ich ihn alleinlassen.
    Ich hielt die Folie hoch, die ich abgezogen hatte. »Ich wollte sie nur in den Müll werfen.«
    »Scheiß auf den Müll! Papp die Karte mit der klebrigen Seite auf den Lockvogel, aber fass den Lockvogel nicht an !«
    Ich sah erst jetzt, dass Wyatt schwarze Gummihandschuhe trug, aus denen die Farbe entwich, während ich draufsah. Sie entwich und erschien wieder in dünnen, schwarzen Wirbeln in dem sich wehrenden Lockvogel, den er festhielt.
    »Tu es!«
    Ich tat es, und nachdem ich die Karte auf den Lockvogel geklebt hatte, ließ Wyatt ihn los. Sofort sprang er zurück ins Fenster. Er blieb unsichtbar bis auf die Karte, die an ihm klebte. Aber der Lockvogel blieb nicht lange unsichtbar. Das rote Rechteck verlor bald seine Form, wuchs und veränderte sich, bis es die Windradform des Lockvogels füllte und ihn sichtbar machte.
    Die anderen auch.
    Die rote Farbe, die Wyatts Lockvogel befallen hatte, breitete sich wie Feuer aus, bis die gesamte Fläche des rasselnden Glases voll mit blutroten Windrädchen war, die wie kranke, verformte Herzen pulsierten. Dieselbe unerklärliche Halluzination hatte ich schon einmal gehabt … Nur, dass Wyatt es auch sehen konnte.
    Er schob mich rasch auf die andere Seite der Theke, und als er mich zu Boden gerissen hatte, durchfuhr eine laute, scheppernde Explosion das Büro.
    Rote Glasscherben fielen wie ein höllischer Regen auf aus.
    Ich ignorierte das Glas und sah mir stattdessen Wyatt an, der keuchend und warm neben mir lag. Ein Schweißtropfen rann an seinem Ohr runter. Es war ein wunderbar normaler Anblick nach allem, was ich gerade gesehen hatte.
    Normal, bis Wyatt seine Hände gegen die Theke hinter uns schlug. Die Handschuhe hatten sich in Glas verwandelt, zersprangen sogleich an dem Holz und befreiten seine Finger. Er sprang auf und rannte ans andere Ende des Raumes, wo er gegen die Milchglastür der Schuldirektorin hämmerte und den Leuten, die sich dahinter versteckten, auf diese Art mitteilte, dass die Luft rein war.
    Sie kamen alle raus. Ms Eldridge, die Schuldirektorin, als Erste, Cowboy gleich hinter ihr. Sie sahen das zerstörte Fenster, die Glasscherben auf allen Oberflächen.
    »Hast du sie alle erwischt?«, fragte Ms Eldridge. Aus ihren Augen leuchtete mädchenhafte Hoffnung, die sich mit ihrem schwarzen strengen Anzug nicht vertrug.
    »Jeden einzelnen.«
    Wer hätte gedacht, dass fünf Erwachsene so ein Theater machen konnten? Cowboy tanzte sogar herum.
    »Ich werde sofort eine Mitteilung rausgeben«, freute sich Ms Eldridge.
    » Nein «, blaffte Wyatt und klang so herrisch wie die Frau in Grün. »Sie wissen doch, was die Mortmaine davon halten, wenn ich Ihnen helfe. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass Sie überall herumtrompeten, was hier passiert ist. Das ist, als würde ich alle ihre Regeln mit Füßen treten.«
    »Sicher, sicher«, ruderte Ms Eldridge zurück. »Dann sag mir, was ich den Schülern sagen soll.«
    »Sagen Sie ihnen, dass sie keine Ohrstöpsel mehr brauchen. Sagen Sie ihnen nur nicht, warum.«
    Ich lugte über die Theke, um selbst nachzusehen, ob alle windradartigen Lockvögel verschwunden waren. Der einzige Anblick, der sich meinen schockstarren Augen bot, war zerbrochenes Glas und ein wolkiger Himmel. Also stand ich auf und nahm meine Unterlagen von der Theke, wo ich sie gelassen hatte. Ich schüttelte das rote Glas ab und gab sie Cowboy.
    Es war wie an meinem ersten Schultag. Alle starrten mich an.
    » Sie war hier?«, fragte Ms Eldridge.
    »Die ganze Zeit?«, schob Cowboy hinterher.
    »Leider«, sagte Wyatt.
    Abscheuliches Miststück von einem Jungen.
    Ich kickte etwas rotes Glas zur Seite, damit ich ihm auf die Pelle rücken konnte. »Leider? Wirklich? Ohne mich hättest du den Lockvogel doch niemals besiegt, und das weißt du auch.«
    Alle drehten sich zu Wyatt, um zu sehen, was er sagte.
    Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht, als müsste er so seinen verdrossenen Ausdruck wegschieben. So sah er viel besser aus, viel mehr wie der anspruchsvolle Kerl, für den ich ihn anfangs gehalten hatte.
    »Reg dich nicht auf«, sagte er. »Ich bin noch total durch. Wahrscheinlich war es nicht ganz scheiße, dass du hier reingestiefelt bist.«
    Das war die schlechteste Entschuldigung, die ich jemals gehört hatte, aber sie reichte als Bestätigung für die Erwachsenen. Als sie dieses Mal jubelten, jubelten sie meinetwegen.

10

    Bis zum Mittagessen hatte

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