Bleib bei mir, kleine Lady
sie. „Aber nicht Byrons flüchtiger Meteor, sondern mein eigener.“
Lord Damien lachte. „Demnach kennen Sie das Gedicht“, sagte er.
Sein Pferd tänzelte nervös auf dem Fleck, und er zügelte es.
„Kommen Sie herunter“, sagte er, „es sei denn, Sie müssen schnellstens in den Himmel zurück, aus dem Sie heruntergefallen sind.“
Gracila zögerte. Wie eindringlich hatte man sie gebeten, ein Zusammentreffen mit Lord Damien zu vermeiden … Da es sich jedoch rein zufällig ergeben hatte, war eigentlich nicht einzusehen, warum sie sich nicht mit ihm unterhalten sollte.
Und in der jetzigen Situation war eine Unterhaltung schlecht möglich – Lord Damien mit nach oben gerecktem Kopf und sie in einer Astgabel.
„Gut“, sagte Gracila schließlich. „Aber erst müssen Sie ein Stück weiterreiten.“
„Warum?“
Gracila lächelte, und er sah die Grübchen in ihren Wangen.
„Weil es nicht sehr vorteilhaft aussieht, wenn man auf einen Baum hinaufklettert“, antwortete sie, „und noch sehr viel weniger vorteilhaft, wenn man wieder herunterklettert.“
Lord Damien lachte. „Sie müssen herunterkommen und mit mir reden“, sagte er. „Sie wollen mich doch hoffentlich nicht hintergehen und wieder in die Himmel verschwinden?“
„Nein, ich komme wirklich hinunter“, versprach Gracila.
Und so ritt Lord Damien ein Stückchen weiter. Nach ein paar Metern blieb er stehen, sprang vom Pferd und wartete.
Gracila kletterte schnell nach unten, wobei sie Angst hatte, er könne sich umdrehen und ihre seidenen Strümpfe sehen.
Sie versuchte, auf ihr Kleid aufzupassen, aber als sie unten war, hatte es doch ein paar Moosflecken abbekommen.
Gracila strich sich die Haare aus der Stirn und ging zu Lord Damien, der am Rand des Baches stand und in das Wasser sah.
Er war viel größer, als sie gedacht hatte, und viel breitschultriger. Trotz des offenen Hemds sah er plötzlich längst nicht mehr so poetisch aus, wie sie sich eingebildet hatte. Er wirkte sehr männlich und älter, als sie erwartet hatte.
Er sah Gracila an und hob erstaunt die Brauen.
„Ich habe Sie für ein Kind gehalten“, sagte er. „Ich sehe, ich habe mich getäuscht.“
„Vielleicht wäre es besser“, sagte sie, „wenn Sie mich weiterhin für ein Kind halten würden. Oder für einen flüchtigen Meteor, wenn Ihnen das lieber ist.“
„Warum?“
„Dafür gibt es verschiedene Gründe.“
„Wobei ich annehme, daß der zwingendste es Ihnen verbietet, mit mir zu sprechen.“
Sein Gesichtsausdruck war plötzlich nüchtern, sein Ton zynisch, fast verbittert.
Gracila sah Lord Damien ernst an. Jetzt wußte sie, warum er nicht poetisch wirkte. Und auch, warum er älter aussah, als er tatsächlich war.
„Aber ich möchte mit Ihnen sprechen“, fuhr Lord Damien fort. „Ich liebe geheimnisvolle Situationen und kann mich nicht besinnen, je einem Meteor begegnet zu sein, der in einem Baum versteckt war.“
„Es wäre wirklich das Beste, Sie würden vergessen, daß Sie mich gesehen haben“, sagte Gracila.
„Das ist ein völlig unsinniger Vorschlag“, erwiderte Lord Damien. „Und da ich nicht gezwungen sein möchte, hinter Ihnen herzugaloppieren, bitte ich Sie, sich ins Gras zu setzen und mit mir zu reden.“
Als müsse sie sich mit dem wohl Unvermeidlichen abfinden, zuckte Gracila mit den Schultern.
„Es bleibt mir offensichtlich keine andere Wahl“, sagte sie.
Lord Damien sah sich nach einer Möglichkeit um, sein Pferd festzumachen.
„Sampson läuft nicht weg“, sagte Gracila. „Und falls er ein Stückchen in den Wald hineinläuft, brauchen Sie nur zu rufen, und schon ist er wieder da.“
„Sie kennen den Namen meines Pferdes?“ fragte Lord Damien erstaunt.
Gracila hätte sich auf die Zunge beißen mögen. Sie hatte unüberlegt losgeplappert.
Sampson war ein ziemlich altes Pferd, und Gracila kannte es seit vielen Jahren. Sie wußte, daß es ein sehr gutmütiges Tier war und nie auf die Idee kommen würde, einfach wegzulaufen.
Lord Damien schien sich ganz auf das zu verlassen, was sie gesagt hatte, denn er legte dem Pferd einfach die Zügel über den Hals und wandte sich wieder ihr zu.
„Sollen wir uns an den Bach setzen?“ fragte er. „Ich habe eben einen Königsdorsch gesehen.“
„Hier nistet jedes Jahr ein Paar.“
„Erzählen Sie mir von den Fischen“, sagte Lord Damien. „Erzählen Sie mir alles, was Sie über meinen Besitz wissen.“
Er wählte eine Stelle, wo das Gras kurz und trocken war. Die Stelle
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