Bleib nicht zum Frühstück
dieses Mal wäre die Reihe an ihr, den ersten Schritt zu tun. In stummer Herausforderung lüftete er die Brauen.
In ihrem Inneren wallte Panik auf. Das neue Wissen, daß sie ihn liebte, machte alles immer schwieriger. Sie wollte, daß Sex zwischen ihnen von Bedeutung war.
Das Superhirn, das sie bisher so sicher durch ihr Leben geführt hatte, verweigerte die Mitarbeit, und sie sah ihn ratlos an. Sie war wie gelähmt, und mit Mühe setzte sie ein höfliches, distanziertes Lächeln auf. »Es hat mir gut gefallen heute abend, Cal. Gleich Morgen früh repariere ich das Tor.«
Stumm schaute er sie weiterhin an.
Sie durchforstete ihr Hirn nach einem belanglosen Kommentar, durch den sich die Spannung zwischen ihnen entschärfen ließ, aber immer noch versagten die grauen Zellen ihren Dienst. Beharrlich schwieg er. Natürlich war ihm klar, wie unbehaglich sie sich fühlte, doch er selbst wirkte gelassen wie eh und je. Weshalb sollte er auch verlegen sein, wenn er nichts für sie empfand? Im Gegensatz zu ihr war er schließlich nicht frisch verliebt.
Mit einem Gefühl der Trauer wandte sie sich von ihm ab. Als sie aus der Küche ging, sagte ihr Hirn, daß ihr Verhalten richtig war, während ihr Herz sie der Feigheit bezichtigte.
Cal beobachtete, wie sie den Raum verließ, und plötzlich wallte Enttäuschung in ihm auf. Sie lief vor ihm davon, und er verstand einfach nicht, weshalb. Schließlich hatte er sie heute abend extra nicht bedrängt. Er war ihr entgegengekommen, hatte dafür gesorgt, daß das Gespräch stets in sicheren Bahnen verlief. In der Tat hatte er ihre Unterhaltung derart genossen, daß er sie beinahe gar nicht mehr rumkriegen wollte. Aber doch nur beinahe. Er begehrte sie zu sehr, als daß sich der Gedanke für mehr als eine Minute aus seinem Hirn verdrängen ließ. Sie hatte ihr Zusammensein im Autokino genossen – er wußte es –, weshalb also verweigerte sie ihnen beiden eines der grundlegendsten Vergnügen, die es im Leben gab?
Angewidert von sich selbst beschieß er, ebenfalls ins Bett zu gehen; aber beim Betreten seines bordellartigen Schlafzimmers verdüsterte sich seine Laune zusehends. Der Wind rüttelte an den Fensterläden, offensichtlich war der Sturm stärker geworden. Um so besser. Auf diese Weise paßte das Wetter zu seiner Stimmung. Er setzte sich auf die Bettkante und zog sich grollend die Schuhe aus.
»Cal?«
Gerade, als sich die Badezimmertür öffnete, blickte er auf; doch genau in diesem Augenblick erhellte ein greller Blitz den Raum, ehe das Haus in vollkommener Dunkelheit versank.
Mehrere Sekunden vergingen, und dann drang ein leises Kichern an sein Ohr.
Wütend warf er seine Schuhe fort. »Der Strom ist weg.
Was findest du daran denn so komisch?«
»Eigentlich nichts. Eher habe ich auf diese Weise eine gute und eine schlechte Nachricht für dich.«
»Dann möchte ich bitte zuerst die gute Nachricht hören – meinen Nerven zuliebe.«
»Irgendwie gibt es zwischen den beiden Nachrichten einen direkten Zusammenhang.«
»Jetzt sag schon, worum es geht.«
»Also gut. Jetzt werde bitte nicht wütend, aber…«
Mühsam unterdrücktes Gackern wurde laut. »Cal… auf einmal ist der Strom ausgefallen, und ich habe nichts mehr an.«
16
Einen Monat später.
Cal streckte seinen Kopf durch ihre Schlafzimmertür und warf ihr glitzernde Blicke zu. »Ich gehe duschen.
Kommst du mit?«
Sie unterzog seinen nackten, in der Morgensonne schimmernden Körper einer eingehenden Musterung, und beinahe hätte sie sich begehrlich die Lippen geleckt. »Vielleicht ein anderes Mal.«
»Du weißt nicht, was dir entgeht.«
»Ich glaube, doch.«
Der unbeabsichtigt wehmütige Klang ihrer Stimme amüsierte ihn. »Arme kleine Rosebud. Du hast dich wirklich in eine unglückliche Position manövriert, nicht wahr?« Mit einem fröhlichen Grinsen verschwand er im Bad.
Verspätet streckte sie ihm die Zunge heraus, legte ihre Wange auf ihren Ellbogen und dachte an jene Aprilnacht vor einem Monat, in der sie spontan beschlossen hatte, ihre Kleider abzulegen und zu ihm zu gehen. Der unerwartete Stromausfall in jenem Augenblick, in dem sie sein Schlafzimmer betrat, hatte den Beginn einer Nacht der Leidenschaft markiert, die für sie unvergeßlich war. Sie lächelte verträumt. Im letzten Monat hatte Cal ein besonderes Talent dafür entwickelt zu ertasten, was seinen Augen vorenthalten blieb.
Und auch sie selbst war inzwischen recht gut in »blinder Liebe«, dachte sie mit einem gewissen Stolz.
Weitere Kostenlose Bücher