Bleib ungezaehmt mein Herz
sein.«
»Nun, achte darauf, daß du einen gehörigen Vorrat an
Riechsalz dabei hast, falls Lady Moreton vor lauter Begeisterung über die Orchideen die Sinne schwinden.«
»Du bist ein respektloses Frauenzimmer«, stellte Sebastian fest.
»Ganz richtig, das ist mir auch schon aufgefallen«, erklang Marcus' Stimme von der Tür her. »Wie geht es dir, Sebastian?« Er warf seine Reitpeitsche auf das Sofa und streifte seine Handschuhe ab.
»Gut, danke.« Sebastian grinste seinen Schwager an und griff nach seinem Hut. »Vielleicht kannst du meine Schwester von ihrem schändlichen Mundwerk heilen.«
»Oh, ich hab's versucht, Sebastian. Ich hab's wirklich versucht. Es ist vergebliche Mühe.«
»Das ist es wohl. Trotzdem, schade.«
»Würdet ihr zwei wohl aufhören zu reden, als wäre ich gar nicht da?« rief Judith halb lachend, halb entrüstet.
»Ich bin schon weg.« Sebastian warf seiner Schwester eine Kußhand zu und eilte zur Tür.
»Da ist noch etwas, was ich mit dir besprechen muß, Sebastian«, sagte Marcus. »Aber ich sehe schon, du bist in Eile.«
»Die Orchideen warten auf ihn«, murmelte Judith, als sich die Tür hinter ihrem Bruder schloß.
»Was?«
»Orchideen. Er ist losgezogen, um Lady Moreton von vorn bis hinten zu bedienen.«
»Großer Gott, warum das denn?«
»Weil er sie zu seiner zukünftigen Schwiegermutter auserkoren hat.«
»Sieh einer an!« sagte Marcus. »Aber natürlich, die Tochter ist Erbin eines großen Vermögens.«
»Was hat das damit zu tun?« fragte Judith aufgebracht.
»Eine ganz Menge. Jeder vernünftige junge Mann mit kaum einem Penny auf der Naht ist auf der Jagd nach reichen Erbinnen«, erwiderte er beiläufig. »Was spielst du da, Charlie?« Er schlenderte zum Kartentisch hinüber.
Charlie gab nicht sofort Antwort. Er sah Judiths Miene und fragte sich, warum Marcus nicht die Reaktion bemerkt hatte, die seine Worte auslösten.
»Du weißt nichts über Sebastians Lebensumstände«, sagte Judith steif.
»Nein, aber ich nehme an, er verdient seinen Lebensunterhalt an den Spieltischen. Ich bezweifle, daß die Moretons seinem Heiratsantrag zustimmen werden.«
»Ich schätze, da wirst du eine Überraschung erleben.«
»Ich würde es ja gerne glauben, aber du mußt doch den Tatsachen ins Auge sehen, Judith.« Er schenkte sich ein Glas Sherry ein, ungeniert die Wirkung ignorierend, die er auf seine Frau hatte. »Leute wie die Moretons würden einen verarmten Heiratskandidaten nur dann akzeptieren, wenn er einen bedeutenden Titel hätte.«
»Ich verstehe«, erwiderte Judith eisig und preßte die Lippen aufeinander. Hastig teilte sie die letzten Karten aus.
»Also, was spielt ihr?« fragte Marcus erneut, während er genußvoll seinen Sherry trank.
»Makao«, erklärte Charlie, ängstlich darauf bedacht, das Thema zu wechseln. Judith sah ausgesprochen gefährlich aus, und er bemerkte, daß ihre langen, schlanken Finger leicht zitterten. »Weißt du, ich bin nicht sehr gut mit Karten ...«, begann er.
»Nein, du bist erbärmlich«, warf Marcus ein. »Ein Baby könnte dich besiegen... was auch der Grund für deine ständigen Geldprobleme ist«, fügte er hinzu. »Ich schlage vor, du suchst dir lieber eine andere Beschäftigung, um dich zu amüsieren.«
»Aber wenn ich erst einmal gelernt habe, wie man gewinnt, werde ich keine Schulden mehr haben«, beteuerte Charlie eifrig. »Deshalb gibt Judith mir Unterricht.«
»Sie tut was?« rief Marcus, und seine heitere Gelassenheit verschwand schlagartig. Sebastian war ebenfalls im Zimmer gewesen, und die Erinnerung an einen anderen Makaotisch in einem Ballsaal in Brüssel tauchte in Marcus' Kopf auf und wischte alle rationalen Überlegungen beiseite. Wie hatte er nur jemals glauben können, er könnte die Vergangenheit begraben? »Und wie genau bringt sie dir bei zu gewinnen?«
Für Judith war das Maß voll. Nicht nur, daß er Sebastian beleidigt hatte - eine Beleidigung, der Marcus sich überhaupt nicht bewußt zu sein schien -, nein, jetzt auch noch diese Bemerkung! Judith wußte durchaus, was er damit andeuten wollte, und damit war es um die Beherrschung ihres aufbrausenden Temperaments endgültig geschehen.
»Ich kenne da ein paar kleine Tricks«, erklärte sie spitz, und ihre Luchsaugen brannten vor Wut. »Man kerbt die rechte obere Ecke der Buben etwas ein... kein Mensch kommt dahinter, wenn man es geschickt genug macht. Und dann gibt es da noch...«
Der Stachel traf sein Ziel. Marcus explodierte. »Das reicht
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