Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

...
     
     
     
    O.U., den 9.12.42
    Mein lieber kleiner Strolch!
    Gestern traf Deine Karte vom 5. und heute Dein Brief vom 6. sowie das Advents-päckchen ein und danke ich Dir recht vielmals für Deine lieben Zeilen sowie für das mit so viel sichtbarer Liebe gepackte Päckchen. Von Grete habe ich bis jetzt noch kein Geld bekommen, will sie denn was besonderes besorgt haben? Sag mal, hast Du diese kleine Silhouette selbst ausgeschnitten? Die zwei Lichter hebe ich mir bis Heiligabend auf und werde da für mich eine kleine Feier machen und dann bringe ich sie mit nach Hause. Ein schöner großer Adventskranz hängt mir gerade über meinem Stuhl, aber in meiner Rumpelkammer kommt er nicht gross zur Geltung und hat sich nun mein Umzug vorläufig auch wieder zerschlagen. Arme kleine Lenifrau, hat denn der Nikolaus Erbarmen mit Dir gehabt oder waren Strümpfe und Pantoffeln am anderen Morgen genauso leer wie vorher?
    Es tut mir leid, dass das Puder zu teuer ist, dabei hab ich es hier in der Kantine gekauft. Fischpaste werde ich nun keine besorgen, aber vielleicht kann ich was anderes in Fischkonserven besorgen. Wie ich schon schrieb, ist Büchsenmilch ein seltener Artikel und weiss ich nicht, ob es damit klappt. Nun lass nur die Hoffnung fahren, vor dem 28. komme ich bestimmt nicht, so gern wie ich heute schon nach Hause fahren möchte. Sag mal, wie ist denn das lose Puddingpulver, soll ich davon noch was besorgen? Auf meine Nährmittel-karten, die ich gespart habe, bringe ich auch zwei oder drei Päckchen Pudding mit. Soso, da geniesst Heidi also Höhenluft, der kleine Kerl scheint ja unter Deiner Pflege ganz gut zu gedeihen. Mit der Schleppstunde hältst Du mich ja tüchtig knapp, aber ich muss mich ja den fachmännischen Angaben fügen. Hoffentlich kriegt dass kleine Kerlchen keinen zu großen Schreck, wenn ich so plötzlich auf der Bildfläche erscheine. Da bist Du wohl froh, wenn alle Arbeit überstanden und Du dann hoffentlich in eine vorweihnachtliche Feststimmung kommst? Sei nur nicht traurig, sondern geniesse die Vorfreude auf unser Zusammensein und denk, wie schlimm und traurig es für viele Frauen ist, wo der Mann im Osten steckt oder wie bei Ilse, für die es wohl sehr sehr schwer sein wird. Und dann hast Du ja noch Heidi bei Dir und einen schönen lieben Brief werde ich Dir auch zum Fest schicken. Das Erie vorläufig nicht fahren kann ist mir neu, aber den Ungarn kann ich es nicht verdenken, denn mit der Zeit wird es bei ihnen auch knapper mit allem. Ja, mit Grete ist es gut, wenn Du sie abgemeldet hast, hoffentlich hast Du keine Scherereien dabei gehabt. Mit meinen Zähnen werde ich wohl nicht ganz bis Weihnachten in Ordnung kommen, aber Geschwulst und schlechter Zahn sind ja nun beseitigt und fühle ich mich wieder ganz wohl. Der kleine Ofen scheint aber noch ganz gute Dienste zu verrichten und ein Dauerzustand soll es ja nicht sein. Das Geld muss aber nun bald kommen, denn wie ich hintenrum erfahren habe, hat es die Abteilung und das Regiment bewilligt und letzteres hat es bereits an die letzte Instanz, den Luftgau, befürwortet weitergeleitet. Ist das mehr an Gehalt wie sonst gewesen? Wahrscheinlich eine Weihnachtszulage. Für Dich ist es vielleicht ganz interessant, eine Buchführung zu haben, ich verzichte darauf, denn ich weiß doch, was ich an meinem kleinen Finanzminister habe. Gestern früh bin ich natürlich erst Mittag weggekommen und war das in Enschede nur ein Rennen von einer Dienststelle zur anderen, denn ich hatte nur zwei Stunden Zeit, aber zehn Minuten bin ich doch im Wehrmachtsheim gewesen und hab Kaffee und Kuchen verdrückt und ¼ 12 Uhr war ich wieder in der Stellung. Da habe ich noch bis 2 Uhr nachts gearbeitet und früh um 10 Uhr bin ich aufgestanden, da habe ich mich nicht mal durch den Spiess stören lassen, der um 9 und ½ 10 Uhr mal geguckt kam. Morgen fahre ich nun nach Lemmen und komme übermorgen wieder zurück und da wird schon wieder eine Menge Arbeit daliegen. Inzwischen habe ich beim Schreiben Kuchen und Gebäck gestraft, warum schmeckt es auch so gut. Sind die drei Pfund Butter eingetroffen aus Kassel? Übrigens habe ich nochmals zehn Pfund bestellt, wenn ich sie bekomme, schicke ich sie sofort ab, das ist dann aber die Butter, die ich Weihnachten mitbringen wollte. Schramms schreibe ich in den nächsten Tagen, um mich für den letzten Brief und die Zigaretten zu bedanken.
    Hoffentlich kannst Du trotz der vielen Arbeit den zweiten Advent etwas geniessen und bin ich mit all