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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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leicht in Rage versetzen ließ. Alex meinte schon jetzt, bei dieser ersten Begegnung, Horst Schöns wahren Charakterzug entdeckt zu haben: Hybris. Er war nicht das, was er sein wollte, stellte sich aber über alles, was er niemals erreichen würde.
    »Sie impertinentes Dreckschwein.«
    Alex lächelte einfach weiter.
    Schön rieb heftig in seinem rechten Auge. Dabei bemerkte Alex einen hellen Streifen an seinem Ringfinger.
    In Alex’ Kopf rotierten die Gedanken. Die Reaktion des Mannes war bemerkenswert. Hatte er vielleicht tatsächlich getan, was Alex ihm einfach so aus dem Bauch heraus vorwarf? Oder zumindest mit dem Gedanken gespielt?
    »Daniela hat sich mit mir über Literatur unterhalten und nichts anderes. Aber ignorante Menschen wie Sie werden das nie verstehen.«
    Von der dunklen Stimme am Anfang des Gesprächs war nichts mehr übrig. Mittlerweile klang Horst Schön wie eine Heulsuse. »Sie können doch nicht einfach hierherkommen, mich bedrohen und Lügen über mich verbreiten!«
    »Doch, Herr Schön, das kann ich, und ich werde es auch tun, wenn es meinen Zielen dienlich ist, verlassen Sie sich darauf. Ihr Leben oder dieses … Literaturcafé«, er sprach das Wort mit einem Höchstmaß an Hohn aus, »sind mir scheißegal. Ich will nur wissen, wo Daniela Gerstein ist. Und wenn Sie irgendetwas dazu beitragen können, vergesse ich ganz schnell wieder, Sie je kennen gelernt zu haben.«
    Schön rieb sich wieder das Auge und schüttelte den Kopf. »Jonas Bömeke«, nuschelte er schließlich.
    »Ja?«
    »Mit dem war Daniela ein paarmal hier. Ich hatte das Gefühl, sie mögen sich. Wenn ich nach Daniela suchen würde, würde ich bei Jonas Bömeke beginnen.«
    »Sie haben nicht zufällig die Adresse?«
    Nach einem langen, giftigen Blick erhob Schön sich und verschwand im hinteren Bereich des Cafés in der Dunkelheit. Alex musste sich zusammenreißen, um ihm nicht zu folgen. Er hatte einen Blick hinter die Fassade des Mannes geworfen und würde gern auch einen Blick hinter die Fassade dieses angeblichen Literaturcafés werfen, wusste aber, dass er den Bogen nicht überspannen durfte. Heute war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Aber heute war auch noch nicht aller Tage Abend.
    Schön kehrte mit ein paar bedruckten Seiten zurück und warf sie auf den Tisch. »Ein Manuskript des Jungen. Seine Adresse steht obendrauf. Nehmen Sie es, und verschwinden Sie.«
    Alex nahm die erste Seite zur Hand. Es war ein Computerausdruck mit Namen und Adresse. Alex faltete den Zettel so langsam und genüsslich wie möglich und steckte ihn ein. Den Rest des Manuskripts ließ er liegen. Dann stand er auf und streckte seine Hand aus. »Sie waren wirklich eine große Hilfe, Herr Schön. Darf ich Ihren Literaturzirkel weiterempfehlen?«
    Alex befürchtete, der Mann würde jeden Augenblick auf ihn losgehen. Er wandte sich ab und verließ den Laden.
    Er hat mir noch nie eine blutende Wunde zugefügt.
    Er hat noch nie die Frage vergessen.
    Seit einiger Zeit saß Nicola regungslos am Küchentisch. Ihr Mann hatte das Haus längst wieder verlassen. Sie erinnerte sich kaum noch an sein »Wiedergutmachen«. Vielleicht als Folge des Sturzes in die Badewanne, vielleicht auch, weil ihr Kopf angefüllt war mit so viel Neuem und Fremdem. Sie hatte sich noch nie gut auf verschiedene Dinge gleichzeitig konzentrieren können.
    Aber eines wusste sie genau: Er hatte sie nicht gefragt.
    Sofort danach war er von ihr heruntergerollt und in einen nervösen, geräuschvollen Schlaf gefallen, während sie neben ihm gelegen und einfach immer weiter auf die Frage gewartet hatte. Obwohl sie schon so lange Zeit nichts weiter war als eine Farce, war der Wunsch, sie gestellt zu bekommen, so stark geworden, dass sie sich beinahe getraut hätte, ihn wachzurütteln und darum zu betteln.
    Aber nur beinahe. Sie hatte es nicht getan, war stattdessen aufgestanden, hatte sich angezogen und an den Küchentisch gesetzt.
    Die Küche hatte zwei Türen; eine führte in den großen Eingangsbereich des Hauses, die andere in den kurzen Flur, an dessen Ende sein Reich lag. Seit sie hier saß, starrte sie die geschlossene Tür an, und ihre Augen ließen sich weder von Holz noch von Metall oder Stein aufhalten. Sie sahen alles. Sahen das Grauen dort drinnen, das sein Verstand erschaffen hatte und ihr eigener sich zu glauben weigerte.
    Und wie schon gestern Abend und die ganze Nacht hindurch versuchte Nicola, sich etwas vorzumachen.
    Du hast das nicht gesehen … Das war nur ein Resultat

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