Bleiernes Schweigen
hört auf zu singen, die Scheinwerfer erlöschen, plötzlich ist es finster. Ich friere und habe Hunger. Brauche eine heiße Dusche, die mir die Haut verbrennt und die Müdigkeit fortspült. Brauche einen Film, der mich auf andere Gedanken bringt, während die Spaghetti kochen. Brauche Durchblick.
Ich steige aus dem Auto. Versuche vergeblich, die Garage zuzumachen.
Der Schlag nimmt mir den Atem, ich gehe auf die Knie. Ein zweiter Schlag, und ich kippe nach vorn, strecke die Hände vor, um nicht aufs Gesicht zu fallen, und versuche zu atmen.
Hinter mir Schritte. Ich will aufstehen, es trifft mich am Arm, diesmal pralle ich mit dem Kopf auf. Ich höre, wie die Garagentür sich schließt, das Neonlicht flackert auf.
Eine Stimme. Ein Mann. Jung.
»Steh auf.«
Ich stütze die Hände auf den Asphalt. Mein eines Bein zittert, mein Rücken schmerzt, Blut läuft mir übers Gesicht. Salzig, schmutzig.
»Steh auf«, wiederholt er. Ich blicke hoch. Als wüsste ich nicht, wer es ist.
Im Quartiere Palazzo wirkte er älter. Er hält einen Baseballschläger. Brandneu, als hätte er ihn extra gekauft, um mir die Knochen zu brechen.
»Was willst du?«
Sinnlos, jemanden das zu fragen, der einen soeben in der eigenen Garage überwältigt hat.
»Was willst
du
, verdammt?«, gibt er zurück.
Ich rappele mich hoch. Mein Rücken und mein Bein sagen mir, dass das keine gute Idee ist. Ich taumele zur Wand, um nicht umzukippen. Ich fange an zu sprechen, und der Atem zerfetzt mir die Lungen.
»Mit deiner Mutter reden.«
Er hebt den Schläger und ich weiche einen Schritt zurück. Unschlüssig hält er inne.
»Meine Mutter darfst du noch nicht mal angucken, verstanden?« Er senkt die Stimme und den Schläger. »Nicht mal angucken.«
»Dann reden wir beide eben. Von Mann zu Mann.«
»Es gibt nichts zu reden.«
Mit einer Hand wische ich mir das Blut aus dem Gesicht.
»Dein Bruder, zum Beispiel.«
Diesmal schlägt er kräftiger zu. Ich kann gerade noch ausweichen, um mir ein paar zertrümmerte Rippen zu ersparen. Er trifft mich in die Seite, ich stürze zu Boden, er ist über mir und rammt mir einen Fuß in den Magen, den Baseballschläger dicht vor meinem Gesicht.
»Es gibt nichts zu reden, klar?«
Ich kriege keine Luft. Er tritt noch fester zu, nimmt mir den Atem. Ich versuche, seine Beine zu fassen zu kriegen, und er bohrt mir den Schuh noch tiefer in den Bauch.
»Nichts, klar? Mach mir ein Zeichen, ob du’s kapiert hast.«
Ich nicke.
Er geht davon. Ich reiße den Mund auf. Blut und Sauerstoff, damit ich weiß, ob ich am Leben bin. Ich setze mich auf. Er ist am Garagentor.
»Wir haben uns nie gesehen. Denk dran.«
Ich antworte nicht. Sehe ihn an. Seine Beine zittern. Ich denke an dieses Zögern vorhin und frage mich, wieso er michnicht fertiggemacht hat, wieso er nicht überzeugender war. Er schiebt das Garagentor hoch. Ein Schweißtropfen rinnt von seiner Hand und tropft zu Boden. Er wischt sich die Handfläche trocken.
»Du warst schlau.«
Er hält inne. Wartet. Wendet mir den Rücken zu. Ich stehe auf.
»Du hast heute Abend drei Leben gerettet.«
Ich gehe auf ihn zu.
»Meines, deines und das deiner Mutter.«
Er dreht sich um. Der Baseballschläger hängt herab. Er beißt die Zähne zusammen. Ich trete noch näher.
»Du bist der letzte Mann in der Familie, schon klar. Aber du bist nicht so.«
»Lass uns in Ruhe«, sagt er. »Bitte.«
Ich deute ein Lächeln an.
»Du weißt, dass wir früher oder später reden müssen. Und nicht, weil ich darauf scharf bin.« Ich drücke ihm einen Finger auf die Brust. Schwarz vor Dreck, rot vor Blut. »Sondern weil du es nötig hast.«
»Du weißt verdammt viel für einen, der nur reden will.«
»Nein. Du bist derjenige, der verdammt viel weiß.«
Er schiebt meine Hand weg. Stemmt das Tor hoch.
Ehe ich zusammenbreche, sehe ich ihn im dunklen Flur Richtung Ausgang verschwinden.
Die Krankenschwester geht durch die verlassene Station. Es ist tief in der Nacht, draußen regnet es in Strömen und die Schicht will nicht enden. All die Dinge, die sie unter normalen Umständen denken würde. Doch nicht heute Nacht. Heute Nacht ist selbst das Echo ihrer Holzsandalen in den Fluren schwer zu ertragen.
Sie hat etwas zu erledigen, und sie muss es gut machen. Sie will die versprochene Belohnung haben, aber vor allem will sie der Strafe entgehen, die ihr blühen würde, wenn sie ihreAufgabe nicht erfüllte. Ein Klacks, wenn man genau drüber nachdenkt.
Er ist sehr viel älter
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