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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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bestimmt. Auch ich habe diese Reise zu gegebener Zeit unternommen, und auch bei mir war der Ausgangspunkt ein Trauerfall.« Er lächelt. Sein Ausdruck ist eiskalt. »Die Wahrheit ist immer die beste Rache, finden Sie nicht?«
    Er wechselt das Thema.
    »Sie sprachen von einer Frage. Warum? «
    Er hebt einen Finger, ein höfliches Zeichen des Einspruches.
    »Nicht ganz. Warum jetzt. Das würde es wohl besser treffen. Korrigieren Sie mich, wenn dem nicht so ist. Warum ich , ebenfalls. Aber ich glaube, über diesen Punkt sind Sie hinweg.«
    Amüsiert schüttele ich den Kopf. Marco Di Donna wirkt wie ein Psychoanalytiker, der mir anhand der wenigen Träume, die ich noch erinnere, mein Leben erklären will.
    Er hat recht. Es gab einen Punkt, an dem die fundamentale Frage lautete, weshalb es ausgerechnet mich trifft. Weshalb Michela mich angerufen hat, weshalb sie beschlossen hat, mir zu verraten, was sie wusste. Doch diese Frage ist überflüssig geworden. Ich sage es ihm, und er nickt kaum wahrnehmbar.
    »Bei mir lief es etwas anders, aber im Wesentlichen ist es das Gleiche. Die Geschichte meines Vaters ist vor dreißig Jahren zu Ende gegangen. Jahrelang hieß es für mich nur, durchhalten. Irgendwie überleben. Ich war noch nicht einmal zwanzig, als es passiert ist. Und die beiden Jahre davor hatte ich damit verbracht, die Vorstellung, die ich mir von meinem Vater gemacht hatte, vor mir selbst zu verteidigen. Wenn die Zeitungen in aller Welt dieselben Dinge schreiben, glaubt man am Ende daran, auch wenn sie einem schier unmöglich vorkommen.«
    »Und waren sie das?«
    »Unmöglich? Nein, keineswegs. Aber das konnte ich damals nicht wissen. Ich lebte in Zürich in diesem Haus. Es war mehr mein Haus als seines. Er hatte mich dort zum Studieren hingeschickt und um mich ein bisschen aus der Schusslinie zu haben. Damals kursierten Informationen sehr viel langsamer.« Er holt tief Luft. »Dann ist passiert, was passiert ist, und meine Mutter und ich mussten irgendwie überleben.«
    Instinktiv sehe ich mich um und bereue es sofort.
    »Sie haben recht. Es ist uns ganz gut gelungen. Und ein großer Teil des Geldes – wenn ich ehrlich wäre, würde ich sagen, der größte Teil – stammt aus der Tasche meines Vaters Alessandro Di Donna. Doch ich möchte Sie daran erinnern, dass nicht sämtliche seiner Einkünfte illegal waren. Ich gebe unumwunden zu, dass es schwierig wäre, zu unterscheiden, welcher Prozentsatz legal war und welcher nicht.«
    Er stützt die Ellenbogen auf die Knie.
    »Jedenfalls habe ich einen Großteil dafür ausgegeben, zu verstehen, woher es stammt. Was in gewissem Sinne einigermaßen grotesk ist.«
    »Eine gelungene Vergeltung, würde ich sagen.«
    Er deutet ein Lachen an, und es ist das einzige Mal, dass ich seine Augen leuchten sehe.
    »O ja. Wirklich gelungen. Wollen Sie die Wahrheit über Geld wissen? Geben Sie es aus. Das klingt nach einem Satz aus einem schlechten Film. Ich habe nicht das geringste Problem damit zu sagen, das Alessandro Di Donna ein Verbrecher und ein ehrlicher Mensch zugleich war. Und dass seine Geschichte mehr als beispielhaft ist, um die Beziehungen zwischen der realen und der kriminellen Wirtschaft, zwischen verborgenen Mächten und Politik aufzuzeigen. Und ich rede nicht nur von Ihrem Land.«
    »Das auch das Ihre ist.«
    »Nein, Sie irren sich. Ich habe keine Heimat mehr. Weder im moralischen noch im bürokratischen Sinne. Ich habe meine Staatsbürgerschaft vor langer Zeit abgelegt.«
    Ich sehe ihn an. Stoppelkurzes Haar, braungebrannte Haut, schlanke Hände, dunkle, scheue Augen. Die leise Stimme. Die Gefühlskälte, die in jedem Wort mitschwingt und hinter der sich wer weiß was verbergen könnte, von der Neurose bis zur äußersten Selbstbeherrschung.
    »Sie sind wirklich ein seltsamer Journalist, wissen Sie das?«
    »Finden Sie?«
    »Und ob. Sie stellen keine Fragen.«
    »Alles zu seiner Zeit. Bis jetzt gibt es keine.«
    Er verschränkt die Arme.
    »Da habe ich keinen Zweifel. Wir machen es so. Hätten Sie etwas dagegen, in einem Strandhaus zu schlafen?«
    »Überhaupt nicht.«
    Er steht auf.
    »Die Bedingungen sind nicht verhandelbar. Sie müssen Ihr Hotel verlassen. Ich will nicht, dass man Sie hierherkommen sieht.«
    »In Ordnung.«
    »Bestens. Ich habe hier in der Nähe ein Haus. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, kann ich Sie ein paar Tage beherbergen.«
    Ich denke nur kurz darüber nach.
    »Ich danke Ihnen.«
    Er verschwindet im Nebenzimmer und kehrt mit einem Schlüsselbund

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