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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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unmöglich wiederfinden.
    »Hast du eine digitale Kopie der Unterlagen?«
    Ich frage, ohne mich umzudrehen, ohne die Augen zu öffnen, gefangen in einem Kokon aus Stille und Finsternis, in dem ich mich grundlos sicher fühle.
    »Sie ist oben.«
    Ich trinke noch einmal. Atme tief durch, lausche meinem Herzschlag, der mir plötzlich in den Ohren dröhnt. Ich drehe mich um.
    »Da ist etwas, das ich dir zeigen muss.«
    Der Laptop steht auf einem Holztisch.
    Ohne mich zu setzen, greife ich nach der Maus und gehe sorgfältig die Ordner auf dem USB-Stick durch. Nach zweimal Klicken finde ich, was ich suche.
    Es ist eine PDF-Datei, der Scan eines echten Ordners.
    TALETE steht auf dem Deckel.
    Ich trete vom Tisch zurück und sehe Daniele an, der mit verschränkten Armen im Türrahmen steht. Er hat sich eine Zigarette angezündet.
    »Das hatte ich gesehen«, sagt er. »Willst du wissen, ob das einer der Namen ist?«
    »Es würde mir schon reichen zu wissen, ob man das rauskriegen kann.«
    Er zieht an seiner Zigarette und deutet auf den Aschenbecher neben dem Laptop. Ich reiche ihn rüber, und er ascht ab.
    »Das ist die Akte einer SISDE-Quelle«, erklärt er. »Die Informationen darin beziehen sich vornehmlich auf die zweite Hälfte der achtziger Jahre.«
    Er zieht noch einmal. Die Asche glüht auf und verlischt dann im Halbdunkel. »Ja, vielleicht lässt sich rausfinden, wer das ist.«
    Er raucht weiter und sieht mich an.
    »Woran denkst du?«
    Er bläst den Rauch aus.
    »Das sind Geheimdokumente. Wahrscheinlich auch heute noch. 1993 … Sie konnte da einfach nicht rankommen, verstehst du?«
    »Man hat sie ihr gegeben.«
    Er sieht mich groß an.
    »Na, sicher! Aber hier reden wir vom Geheimdienst. Und von Dokumenten, die nur der Geheimdienst haben kann. Es ist, als hätte jemand Krieg in den eigenen Reihen geführt.« Er nimmt noch einen Zug und senkt die Stimme. »Ich will gar nicht daran denken, was hätte passieren können, wenn dieser ganze Kram in der Zeitung gelandet wäre. Damals, als es gerade passierte.«
    Ich setze mich auf die Tischkante. Der Gedanke trifft mich zu schnell, als dass ich ihn ignorieren könnte.
    »Vielleicht hätte es ihr das Leben gerettet.«
    Daniele scheint kurz nach einer Antwort zu suchen. Dann drückt er die Zigarette aus.
    »Das meiste von Elenas Unterlagen ist aktenkundig. Es ist bekannt und bestätigt. Es gibt Beweise, Dokumente, Untersuchungen. Seitdem ist es in zahlreichen Fällen zum Prozess gekommen, fast überall hat es rechtskräftig verurteilte Schuldige gegeben. Die ganze Riege von Mafia-Handlangern ist im Knast gelandet. Allerdings…«
    »Worauf willst du hinaus?«
    Er holt tief Luft.
    »Elena wusste alles. Vielleicht sogar das, was wir noch nicht durchschaut haben.« Er macht eine Pause. »Und das Jahre vor allen anderen.« Ich denke an das, was Adriano gesagt hat. Elena schaltete schneller, und sie wollte wissen, was passierte. Ich sehe Daniele an. Sehe ihm lange direkt in die Augen.
     
    Ich lege das Besteck in die Pappschachtel und esse das letzte Pizzastück. Daniele schneidet ein Stück Rand von seiner Margherita und kaut bedächtig und mit gedankenverlorenem Blick.
    Vor mir auf dem Boden liegen ein paar lose A4-Blätter. Der Bericht einer Sitzung der Attentats-Kommission. Meine Frau hat ihn eigenhändig geschrieben. Es geht darin um die Aussagen Michelangelo Lamantias, der sich zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschlossen und Borsellino kurz vor der Bombe in der Via d’Amelio von den Semprinis erzählt hatte.
    Auf der Hälfte des Blattes ist ein Satz rot umkringelt.
    Die Cosa Nostra hat beschlossen, in die Staatsgeschäfte einzusteigen.
    Ich kann meinen Blick einfach nicht davon losreißen.
    Ich stehe auf, gehe in die Küche, hole eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, kehre ins Wohnzimmer zurück und lese zum x-ten Mal die von meiner Frau notierten Worte des Pentito.
    Er spricht von einer Zusammenkunft Anfang 1991 bei Enna auf dem Land. Anwesend sind Riina, Provenzano, Madonia und Santapaola, und sie beschließen, die alten politischen Seilschaften über Bord zu werfen und einen nie verwirklichten Traum aus der Schublade zu holen.
    Über einen Teil Italiens zu herrschen.
    Staat zu werden.
    Und sich dabei von den Freimaurern helfen zu lassen.
    Lamantia erklärt der Kommission, die wichtigsten Mafialeute seien Freimaurer, denn nur so komme man an die wirklich dicken Fische heran. An die Unternehmer. Und an die Politiker. Ich stelle mir die Gesichter der

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