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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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zerwühlten Laken und zwischen
Erschöpfung und Schlaf zu einer ganz besonderen Aussprache. Michael schilderte
Jule, wie es damals gewesen war bei dem Überfall auf die Euskirchener
Sparkassenfiliale. Er sprach stockend. Die Geschichte belastete ihn immer noch.
    Jule
kuschelte sich an ihn, lauschte und starrte in die Dunkelheit ihres gemeinsamen
Schlafzimmers, das sich in Michas altem, inzwischen erweiterten und renovierten
Mobilheim auf dem ›Eifelwind‹-Gelände befand. Sie wagte kaum zu atmen.
    »Stefan
war total heiß auf die Sache. Er hatte sich mit Koks aufgeputscht und stand
völlig unter Strom. ›In einer Stunde sind wir stinkreich‹, schwärmte er. ›Dann
kann uns keiner mehr was‹. Ich hatte einfach Schiss. Es war doch mein erster
Raub. Stefan hatte weit mehr Erfahrung. Ich wollte es einfach nur hinter mich
bringen. Ihm beweisen, dass ich ein guter Freund und dazu fähig war. Außerdem
sah ich zu der Zeit null Perspektive. Kein Schulabschluss, keine Aussicht auf
eine Lehre oder einen Job. Tagein tagaus hing ich mit meinen Kumpels ab, soff
viel zu viel und baute Scheiße. Mit einem Geniestreich Millionen abzuräumen war
eine Hoffnung, die was für sich hatte. Es schien die Lösung für alle Probleme
zu sein. In dem Punkt gab ich Stefan recht. Wie dumm ich war!
    Es war
früh am Morgen. Wir hatten in der Nacht zuvor einen alten Käfer geknackt. Mit
dem fuhren wir zu einer Nebenstraße der Bank. So nah ran wie möglich. Es war
Oktober, so wie jetzt, es war arschkalt und noch dämmrig. Stefan und ich trugen
Jeans, Handschuhe und dunkle Jacken. Die Pistolen versteckten wir darunter.
Eine leere Plastiktüte und Sturmmasken hatten wir auch dabei. Als wir auf die
Sparkasse zugingen, zitterte ich vor Kälte und vor Angst. Kurz vor der Glastür
maskierten wir uns. Erst in dem Moment wurde mir klar, dass es kein Zurück mehr
gab. Mitgehangen, mitgefangen.
    Es
waren noch keine Kunden in der Bank. Wie geplant. Stefan übernahm die Führung,
machte einen auf großen Macker. Blähte sich auf wie ein Michelinmännchen. Da
kapierte ich, dass auch er großen Schiss hatte. Er fuchtelte mit seiner Waffe
vor dem Schalterbeamten herum. Der wurde ganz blass.
    ›Rück
die Kohle raus!‹, kommandierte Stefan, während ich ihm die Tüte reichte. Seine
Stimme war laut, aber gar nicht cool. Eher schrill und nervös. Ich kriegte erst
recht Panik. ›Und denk auch dran, die Juwelen von dem Scheiß-Emir in die Tüte
zu packen‹, ergänzte mein Freund. ›Wir wissen, dass das Zeug hier lagert.‹
    Der Typ
hinter dem Schalter bekam große Augen, reagierte aber sofort. Stefan und er
gingen in die hinteren Räume der Bank. Dabei drückte ihm Stefan die Pistole in
den Rücken. Mein Job war es, die beiden Frauen, die an den anderen Schaltern
standen, in Schach zu halten. Eine von denen, die Jüngere, so ein schickes
Blondchen mit Zopf, fing an zu weinen. Ich wäre am liebsten aus dem Gebäude
gerannt. Oder hätte mitgeheult. In der Zeit muss eine der Frauen den Alarmknopf
gedrückt haben. Als Stefan ein paar Minuten später mit dem Alten und prall
gefüllter Plastiktüte zurückkam, hörte man draußen Polizeisirenen.
    Stefan
raffte sofort, was los war. Er warf mir die schwere Tüte zu und riss den
Schalterbeamten am Kragen zurück. Einen Arm schlang er um den Hals des Mannes.
Seine Knarre bohrte er ihm in die Schläfe.
    ›Raus
hier!‹, schrie er mir zu. ›Schnell!‹
    Draußen
war die Hölle los. Drei Polizeiautos hielten gleichzeitig mit quietschenden
Reifen gegenüber der Bank. Direkt vor der Eingangstür parkten zwei Autos im
absoluten Halteverbot. Das war unser Glück. Wir verschanzten uns mit unserer
Geisel hinter einem ockerfarbener Mercedes, und Stefan rief den Bullen zu, die
sich allesamt auf der anderen Straßenseite zu einem wirren Knäuel
zusammengeballt hatten: ›Keinen Schritt näher! Ich knall den Alten ab, wenn es
sein muss.‹
    Der
Sparkassentyp wimmerte. Es ging mir durch Mark und Bein. Auf einmal knickten
dem Mann die Beine weg. Er war ohnmächtig geworden.
    ›Scheiße!‹,
schrie Stefan und ließ ihn los. Er sackte auf dem Bürgersteig zusammen. Da
wusste ich, dass wir keine Chance mehr hatten. Das sahen die Bullen wohl
genauso. Einer von denen, so ein kräftiger in den Dreißigern, stellte sich
breitbeinig hin, seine Polizeiwaffe mit beiden Händen haltend. Er richtete sie
auf Stefan und befahl ihm: ›Waffe runter, du kleiner Pisser!‹
    Ich
weiß noch, wie Stefan zögerte. Er schaute kurz zu mir rüber, seine

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