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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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Kalorienabbau wäre jetzt nicht schlecht«, hatte beispielsweise Jule
betont beiläufig erwähnt, als sie auf dem Heimweg im Auto saßen.
    Und
Jörg stimmte sofort zu: »Ja, lass uns trainieren, wenn der Kleine im Bett ist.«
    Manchmal
hatte Tobi dann gequengelt, dass er auch »Karolin abhauen« wolle und Jörg und
Jule hatten herzlich gelacht.
    Jetzt
bekam Jule nach dem anfänglich nostalgischen Gefühl einen schalen Geschmack im
Mund. In letzter Zeit hatte sie ihre Kalorien hauptsächlich mit Micha
abtrainiert. Der Gedanke an ihn ließ sie nervös erschauern. Mühsam kämpfte sie
ihre Besorgnis nieder. Heute Abend musste sie aufnahmefähig bleiben, und dazu
brauchte sie Disziplin und Gelassenheit.
    Zum
Nachtisch servierte Jule stilecht Tiramisu und Espresso. Anschließend
genehmigten sich die Männer einen Ramazzotti und eine Zigarre. Dieses Ritual
läutete für gewöhnlich die Skatrunde ein. Im Normalfall würde Jule an dieser
Stelle das Feld räumen; heute wollte sie unbedingt noch einen Versuchsballon
steigen lassen.
    »Sagt
mal, ihr zwei«, begann sie, an Peter und Leo gewandt, und räusperte sich.
»Nachdem ich Stefan Winters Leiche am Angelsee gefunden hatte, habe ich mich
ein bisschen über die Vorgeschichte des Mannes erkundigt.«
    »Ja?«
Peters linke Augenbraue schnellte fragend in die Höhe.
    »Tatsächlich?«
Leos Lächeln wurde noch eine Spur nachsichtiger.
    Beide
Männer hielten in ihren Bewegungen inne. Träger Qualm stieg aus den
Zigarrenstummeln auf. Bloß Jörg wurde auf einmal ganz zappelig. Zittrig goss er
allen dreien die Gläser wieder voll.
    »Ja,
ich meine, ich musste doch wissen, mit wem ich zu tun hatte«, haspelte Jule
weiter. Da musst du jetzt durch, mahnte sie sich. Mach bloß keinen Rückzieher.
»Also hab ich im Internet recherchiert und musste feststellen, dass dein Vater,
Leo … «, hier musterte sie den Betreffenden aufmerksam und stellte fest,
dass sein Pokerface eine Nuance zu gemeißelt wirkte, »Stefan Winter damals
verteidigt hat.« Sie schluckte und wollte gerade fortfahren, da fuhr Jörg
dazwischen.
    »Süße,
quäl dich nicht mit diesen Geschichten. Der Mann ist tot. Was interessiert dich
der uralte Prozess?«
    Jule
ignorierte seine Worte und redete einfach weiter. »Ich las also die alten
Presseberichte in den Online-Zeitungsarchiven und stieß plötzlich auf ein sehr
interessantes Foto. Es zeigt Winter, deinen Vater und im Hintergrund zwei junge
Männer … nämlich dich, Leo, und dich, Peter. Ich war ziemlich baff,
ehrlich gesagt. Und ich frag mich immer noch, wie ihr beide auf das Bild
geraten seid. Es war im November 1988. Studiert habt ihr da noch nicht lange.«
    Forschend
sah sie von einem zum anderen. Auf Peters Gesicht legte sich fast sofort sein
typisches Odenthalgrinsen, während Leo sehr nachdenklich dreinschaute.
    »Wir
haben ein Praktikum bei meinem Vater gemacht«, antwortete er sachlich. »Der
Euskirchener Bankraub war der erste größere Prozess, dem wir beiwohnen durften.
Das war … sehr aufschlussreich.« Seine runden braunen Augen ruhten nun mit
voller Aufmerksamkeit auf Jule. »Es wundert mich jedoch, dass du dich dermaßen
in das Thema vertieft hast.«
    »Na
ja.« Peter grinste immer noch. »Uns hat die Sache damals doch auch ziemlich
fasziniert, oder? Ich verstehe Jule irgendwie. Es ist schon spannend, mit
Schwerkriminellen zu tun zu haben. Und es ging um eine Menge Kohle und um die
Diamanten. Ein dickes Ding war das, was Winter zusammen mit seinem Komplizen
durchgezogen hat. Ich weiß noch, wie die Abgebrühtheit dieses Mörders und
Geiselnehmers mich damals gefesselt hat. Er war für mich eine ganz seltene
Spezies. Undurchdringlich. Ein echter Freak. Ging es dir nicht ähnlich, Leo?«
    Und
wieder funkte Jörg dazwischen. »Lasst uns endlich mit dem Skatspiel anfangen«,
quengelte er. »Es ist Wochenende, und die Arbeit soll bleiben, wo sie
hingehört: in der Kanzlei.«
    Leo
Fröhlichs warme, ruhige Stimme legte sich schmeichelnd über Jörgs genervte.
»Gleich Jörg, aber Jule soll ruhig Bescheid wissen.« Er lächelte und fixierte
sie bezwingend. »Ja, dieser Prozess damals, der hauptsächlich unter Ausschluss
der Öffentlichkeit stattfand, war wirklich aufregend. Mein Vater hatte es mit
seinem Mandanten nicht leicht. Der war verstockt und wirklich von Grund auf
kriminell, ein unangenehmer Zeitgenosse. Manchmal hat Papa mir echt leid getan.
Er strampelte sich ab für diesen Verbrecher, und der blieb stur und
unkooperativ. Wenn er wenigstens den

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