Bleischwer
alle
verräterischen Spuren in Mamas Haus beseitigt hat. Und zwar gründlich. Was
liegt näher, als zu vermuten, dass sie mit Jörg unter einer Decke steckt?«
»Da
könntest du recht haben. Schlimm, wenn man nicht einmal dem eigenen Fleisch und
Blut trauen kann.« Melanies Nase krauste sich missbilligend. »Jana und die drei
Juristen sind also hinter der Beute aus dem Euskirchener Bankraub her. Und als
Stefan aus der JVA getürmt ist, haben sie gedacht, er führt sie zu dem
Versteck.«
»Genau,
nur war ihm schon jemand zuvor gekommen.«
»Die
Stelle unter dem Weinstock war leer«, ergänzte Melanie. »Sag mal, bist du
eigentlich sicher, dass Micha das Geld nicht längst verbraucht und die
Edelsteine verscherbelt hat? Zeit genug hatte er ja.«
»Ganz
sicher. Er wollte mit der Sache nichts mehr zu tun haben. Er macht sich seitdem
schon genug Vorwürfe, Stefan im Stich gelassen zu haben. Dass er frei war,
während sein Freund lebenslang einsaß. Also wollte er sich nicht noch mehr
bereichern. Er hat bloß das Gedicht an Sonja geschickt, 10.000 DM für seine
Flucht nach Süddeutschland abgezweigt und den Rest in der Blechdose gelassen.
Das schwört er.«
»Mmmh.«
Melanie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Aber wer hat die Beute dann? Dein
Mann würde doch nicht so ein Theater machen, wenn er längst steinreich wäre. In
dem Fall wäre es wesentlich geschickter, sich still zu verhalten. Und wer hat
Sonja und Stefan getötet? Für mich macht das alles keinen Sinn.«
Jule
konnte nur zustimmen. Die Geschichte wurde immer verworrener. Dann fiel ihr
plötzlich etwas ein. Sie fürchtete sich davor, Melanie davon zu erzählen. Aber
es ging nicht anders. Also berichtete sie der neuen Freundin, dass ihre ältere
Schwester tatsächlich an unheilbarem Bauchspeicheldrüsenkrebs gelitten hatte.
Melanie
wurde leichenblass. Jule meinte, sogar Tränen in ihren Augenwinkeln schimmern
zu sehen. Tröstend legte sie ihr einen Arm um die knochigen Schultern und
drückte sie sanft an sich.
Eine
ganze Weile saßen sie in stiller Eintracht da.
Erst
als Melanie sich etwas gefasst hatte, kam Jule auf das Rätsel der Eifelmorde
zurück. Sie erzählte ihrer Verbündeten von dem seltsamen Umstand, der ihr an
Stefan Winters Leiche aufgefallen war.
»Ich fahre in den ›Eifelwind‹,
bespreche ein paar Dinge wegen des Stellplatzes mit Hermann und komme mit dem
Twingo zurück«, verkündete Jule zwei Stunden später zu Hause ihrem verkaterten
Ehemann.
»Ach
ja? Wie kommst du denn hin?«, nuschelte der matt und leerte mit Todesverachtung
ein Glas Wasser mit darin aufgelöster Aspirintablette.
Jule
zögerte. Schließlich entschied sie sich für die Wahrheit. »Mit der Schwester
der ermordeten Sonja Bohr«, erklärte sie mit einer Stimme, die hoffentlich
keinen Widerspruch aufkommen ließ. »Ich habe sie vor ein paar Tagen
kennengelernt. Sie muss das Haus in Steinbach ausräumen. Dabei werde ich ihr
helfen.«
»Okay.«
Jörg dehnte die Silben, sodass es mehr erstaunt als zustimmend klang. »Dich
lässt diese Mordgeschichte einfach nicht los, was?« Er erhob sich von dem
Barhocker an der Küchentheke und fixierte sie mit warnendem Blick: »Ich hoffe
aber, du bleibst sauber und gehst Faßbinder aus dem Weg.«
Jule
fiel es äußerst schwer, hier so dicht bei Jörg zu stehen. Sie wäre fast
explodiert. ›Sauber bleiben!‹ hätte sie am liebsten gehöhnt. Das forderst
gerade du! Stattdessen blähte sie nur die Nasenflügel.
»Keine
Sorge. Der ist längst über alle Berge. Mit der Geschichte habe ich
abgeschlossen«, antwortete sie betont gelassen.
Jörg
nickte zufrieden. »Dann ist ja gut.« Er schleppte sich müde in den Flur. »Ich
schlaf noch ’ne Runde. Weck mich, bevor du fährst. Damit ich mich noch von dir
verabschieden kann.«
Dritter Teil: Verirrte Geister
Sie starteten gegen 17 Uhr. Melanie schaffte es nicht
früher. Jule war sehr erleichtert, als sie den maisgelben Smart endlich durch
das Esszimmerfenster erspähte. Von Jörg brauchte sie sich nicht zu
verabschieden. Der war in den Fitnessclub gefahren. Kalorien abbauen. Sie warf
sich neben die Freundin auf den Beifahrersitz. Dann äugte sie nach hinten.
Richtig, im winzigen Kofferraum krümmte sich Michael Faßbinder so zusammen,
dass er von außen nicht zu sehen war.
»Hi,
ihr zwei«, begrüßte sie die beiden nervös. »Auf zur letzten Runde!«
»Genau.«
Melanie verzog die bordeauxrot geschminkten Lippen zu einem schmalen Lächeln
und drückte aufs Gas. Doch anstatt
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