Bleischwer
Bordellschulden. Es war ein Leichtes für ihn, einen
Interessenten für die Juwelen zu finden und eine Pistole auf dem Schwarzmarkt
zu besorgen. Eine Sig Sauer und 5.000 Euro wechselten den Besitzer. Zwei Wochen später war Stefan Winter
auf freiem Fuß. Die Großfahndung lief, und erst in dem Moment war Becker klar
geworden, auf was er sich da eingelassen hatte.
»Mir
ging der Arsch auf Grundeis«, gestand er freimütig. »Aber so was von auf
Grundeis.«
»Deshalb
hast du Stefan hinterrücks erschlagen, als du ihm bei deinen nächtlichen
Patrouillen im ›Eifelwind‹ begegnet bist«, stieß Micha wütend aus und zielte
genauer auf Beckers Weichteile.
»Bullshit!
Ich denke, du willst die Geschichte von Anfang bis Ende hören. Also sperr die
Lauscher auf, Faßbinder«, blaffte der Dorfpolizist zurück; gleichzeitig wurde er
eine Spur blasser um die Nase. Jule sah, dass sich unter seinen Achselhöhlen
dunkle Flecken ausbreiteten.
»Also,
die Flucht aus dem Hochsicherheitstrakt war Winter dank meiner Hilfe gelungen,
bloß danach ging alles schief. Eigentlich war verabredet gewesen, dass Sonja in
einem Auto direkt neben der JVA auf den Ausbrecher warten sollte. Aber Winter
floh über eine Stunde zu früh. Es blieb ihm nichts anderes übrig, eine Frau,
die in ihrem Wagen an einer roten Ampel wartete, als Geisel zu nehmen und zu
zwingen, ihn in die Eifel zu kutschieren. Erst in Euskirchen bekam er die
Gelegenheit, das Fahrzeug zu wechseln, als er einen unachtsam abgestellten
Wagen vor dem Kiosk stehen sah.
Das
alles war hoch riskant und rief natürlich schnell sämtliche Sondereinsatzkräfte
auf den Plan. Sofort konzentrierte man sich auf Eichweiler, Winters Geburtsort,
und Umgebung. Scheiße, dachte ich. Wie kann man nur so dämlich sein?«
»Was
hättest du denn an Stefans Stelle gemacht, Wichser?«, schimpfte Michael. »Wo
sollte er denn hin?«
»Er
hätte einfach die Uhr richtig lesen können. Selbst dafür war der Typ zu blöd.
Aber egal, jetzt musste es irgendwie weiter gehen. Allerdings war Winter
plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Freitagabend bin ich wie verabredet zu
Sonja. Die hatte noch nichts von ihm gehört und war halb verrückt vor Sorge. In
dem Moment ist mir klar geworden, dass sie mich nur ausgenutzt hat. Die liebte
diesen Abschaum wirklich! Das hat mich für ein paar Minuten ganz schön aus der
Bahn geworfen.« An der Stelle lachte Becker trocken, beruhigte sich jedoch
schnell, als er Michaels und Jules eisigen Blicken begegnete. »Dann dachte ich
an die 300.000, und alles war wieder im Lot. Ich ging nach Hause. Samstagmorgen
fand man das geklaute Auto kurz vor Steinbach, und die Kripo machte schleunigst
die Falle dicht. Winter wäre es nie gelungen, lebend aus dem Tal raus zu
kommen. Ich habe übrigens bis heute keine Ahnung, wo er sich zwei Tage und zwei
Nächte lang versteckt hielt. Bei Sonja jedenfalls nicht. Ich weiß das, weil ich
ein paar Mal bei ihr war. Zur Kontrolle. Hätte doch sein können, dass die zwei
Vögelchen vorhatten auszufliegen, ohne mir meinen wohlverdienten Anteil
auszuzahlen.
Sonntagfrüh
hielt ich es nicht mehr aus und ging noch mal zu ihrer Bruchbude. Und da lag
sie in ihrem eigenen Blut, mausetot. Der Scheißkerl hatte sie abgestochen. Mehr
weiß ich nicht, ehrlich.«
Becker
klappte den Mund zu und lehnte sich stöhnend nach hinten. Es musste äußerst
unbequem für einen Mann seines Körperumfangs sein, mit zurückgebogenen Schultern
und den Händen auf dem Rücken auf dem schmalen Drehstuhl gefesselt zu sein.
Jules
Mitleid hielt sich in Grenzen. Und sie konnte sich nicht länger beherrschen.
»Ich glaube nicht, dass Stefan Winter die Liebe seines Lebens brutal
abgeschlachtet hat. Warum auch?«
»Er
hatte die Beute und gut war’s«, mutmaßte Becker. »Und Sonja war eine Zeugin. Es
war sicherer für ihn, sie aus dem Weg zu räumen.«
»Nichts
hatte er«, antwortete Micha heftig. »Das Versteck war leer. Irgend jemand war
ihm zuvor gekommen.«
Jetzt
kniff der Dorfpolizist misstrauisch die Augen zusammen. »Das kannst ja dann nur
du gewesen sein, Faßbinder. Denn Sonja hatte echt keine Ahnung, wo das Zeug
steckte. Das kann ich beschwören.«
»Was
sind deine Schwüre schon wert?«, spuckte Micha aus, doch Jule sah ihm an, dass
er dem Mann seiner Cousine glaubte. Und auch sie selbst neigte dazu.
»Was
willst du eigentlich, Faßbinder?«, nörgelte Becker nun. »Geht es dir um die
Kohle, oder was? Ich denke, die hast du schon?«
»Was
glaubst du, Wichser?
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