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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wieder drückte ich die Klingel, aber nichts tat sich.
    Ich ging zurück in Richtung Altstadt. Der Weg war mir jetzt beinahe vertraut. Die vielen Läden für Büromaterial. Die Locher, Hefter, Aktenordner und Klebebandhalter. Es mußte viel Bürokratie geben an diesem Ende der Welt.
    Kurz vor der Brücke ging ich in ein von Neonlampen erleuchtetes Lokal in einem Eckhaus. Ich hatte das Schild draußen gelesen: »Zimmer frei!« Ich trank einen Mokka und fragte nach dem Übernachtungspreis. Die hundert Mark schienen mir ungeheuerlich für ein Zimmer, das, wie es hieß, weder Dusche noch Toilette hatte. Also hastete ich weiter. Über die Brücke, zum Marktplatz. Sein Pflaster war teilweise entfernt, wahrscheinlich um Kabel und Kanalisation zu verlegen. Überall große Steinhaufen, offene Gräben. Es gab keine Absperrungen, aber wenigstens auch keinen Verkehr.
    In einer Ecke des Platzes fand sich tatsächlich das zweite Hotel des Ortes. »Hotel zur Grafenschenke« stand auf der rußgeschwärzten Fassade. Hinter den Fenstern war Licht.
    Die Eingangstür zum Lokal war zwar verschlossen, aber auf mein Klingeln öffnete man mir. »Feierabend«, sagte eine unfreundliche Stimme, die zu einer Frau gehörte. Sie stand in der halboffenen Tür und musterte mich. Sie war klein und dunkelhaarig und sprach mit fremdländischem Akzent.
    »Wir haben nur bis elf...« Ich unterbrach sie: »Haben Sie Zimmer?«
    Mein Satz war ein Sesam-öffne-dich. Ich wurde höflich hereingebeten. Dann schaute die Frau erst mich an, der ich wohl reichlich dreckverschmiert war, und dann in ein großes Heft. »Nur für eine Nacht?«
    »Für mindestens zwei. Wahrscheinlich aber für länger«, sagte ich schnell.
    Sie schenkte mir einen anerkennenden Blick. »Ich habe noch eins. Aber ohne Fernseher. Dusche und Toilette auf dem Gang. Wir sind erst im Umbau, wissen Sie. Es kostet vierzig.«
    »Wunderbar«, sagte ich erleichtert. »Ich nehme es.«
    Um den Maler noch zu besuchen, war es inzwischen zu spät. Ich bat die Wirtin um eine Flasche Bier und ließ mir den Weg zu meinem Zimmer erklären. Es lag im zweiten Stock. Ich ging durch einen langen, schmalen Flur, der an seiner Schmalseite von einer senkrecht montierten, grellen Neonlampe beleuchtet wurde. Rechts und links gingen Türen ab. Eine Stimmung wie in einem billigen Bordell oder aber einem teuren Gefängnis.
    Dann saß ich endlich in einem winzigen Raum, einer Zelle eher, in die gerade ein schmales Bett, ein Schrank und ein Waschbecken paßten. Ich saß auf der Bettkante und trank Bier aus der Flasche. Das Fenster ging auf eine hohe Wellblechwand. Darüber sah ich wie eine Vision die oberste Reihe der Schloßfenster leuchten. Ich zog mich aus und ließ mich ins Bett fallen. Mein Schädel brummte immer noch, und meine Augen brannten, als ich sie schloß. Hätte ich nicht doch zur Polizei gehen sollen? Ich hatte kein Zutrauen zu den offiziellen Ordnungskräften hier. Zuviel hatte ich von politischen Verstrickungen gehört. Ich sollte mich selbst um die Sache kümmern. Gleich morgen früh.
    Ich mußte wohl eingeschlafen sein. Irgendwann schreckte ich hoch. Grelles Licht fiel mir in die Augen. In der offenen Tür sah ich kurz eine schwarze Silhouette, den blendenden Zackenstern einer direkt auf mein Gesicht gerichteten Taschenlampe. Die Tür schloß sich wieder, und schnelle Schritte entfernten sich.
    Ich sah auf die Uhr. Es war fünf. Ich war sicher, die Tür abgeschlossen zu haben. Ich stand auf und sah nach. Der Schlüssel steckte von innen und war zweimal umgedreht. Es mußte jemand vom Hotel gewesen sein, der einen Hauptschlüssel besaß.
    Ich dachte an Ines, stellte sie mir vor, hatte Sehnsucht nach ihrer Nähe. Es gelang mir, wieder einzuschlafen, aber meine Träume waren Schauplatz wüster Verfolgungsjagden.

Viertes Kapitel
    I ch erwachte von der unnatürlichen Hitze im Raum, die von einem großen, alten Gußradiator ausging. Hinter dem klaffenden Vorhang am Fenster sah ich den grauen Himmel, aus dem immer noch große Flocken fielen. In wenigen Tagen würde Weihnachten sein. Es war ewig her, daß ich weiße Weihnachten erlebt hatte. Meine Laune stieg.
    Das Frühstück war gar nicht mal so schlecht. Der ärmliche Weihnachtsbaum immerhin mit unbeholfener Liebe geschmückt, der Kaffee gut und die Brötchen beinahe knusprig. Im Frühstücksraum saßen einige unscheinbar gekleidete Herren, denen man den Vertreterberuf deutlich ansah. Diese Herrschaften entwickeln anscheinend eine spezielle Art der

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