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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Anonymität, eine Tarnfarbe des Lebens, die wohl die Aufdringlichkeit ihres Gewerbes verbergen soll. Sie versuchen, auf jeden Fall unscheinbarer zu wirken als ihre Kunden und mindestens ebenso seriös. Und dies führt notwendigerweise zu jenem schrecklichen Einerlei ihrer Sakkos, Mäntel und Schlipse.
    Ich trat vor die Tür. Alles war mit schmutzigem Schnee bedeckt. Aus vielen Schloten krochen lange, gelbliche Schlangen aus Qualm. Es stank noch unerträglicher als in den Tagen zuvor. Vor dem Hotel türmte sich ein Berg Briketts, den gerade jemand in eine offene Tür im Souterrain schaufelte.
    Meine gute Laune war ungebrochen. Ich machte mich auf zum Schloß. Zuerst ging ich jedoch zum Buchladen. Die Tür war abgeschlossen. Im Fenster klebte ein Zettel: »Wegen Krankheit geschlossen.« Ich schob eine Nachricht unter der Tür durch, die ich beim Frühstück geschrieben hatte. »Wohne in der Grafenschenke. Hoffe, euch bald zu sehen. Piet.« Eigentlich wollte ich nur Ines sehen. Und wahrscheinlich wäre ich wegen Dick allein keinen Tag länger hier geblieben.
    Die Auffahrt zum Schloß war schwer zu finden. Mehrmals mußte ich in Sackgassen aufgeben. Schließlich fand ich hinter einer Häuserreihe eine schmale Straße, die vom Fuß des Schloßberges nach oben führte. Je näher ich meinem Ziel kam, desto imponierender wurden seine Ausmaße. Wie eine riesige, schwarze, steingewordene Kröte hockte es auf dem Felsen.
    Architektonisch war das Schloß ein übles Konglomerat der Baumoden und Geschmäcker seiner verschiedenen Besitzer. Sechs Barockgiebel zierten die Fassade, unter der der Weg emporkroch. Der Putz war in großen Teilen abgebröckelt, der nackte Fels von Schimmel und Salpeterflecken bedeckt. Hinter einigen Fenstern brannte immer noch Licht. Irgendwo ganz oben öffnete sich ein Fensterladen und schloß sich gleich darauf wieder.
    Ich ging durch einen Torbogen. Mein Elan war einem mulmigen Gefühl gewichen. Der Schreck fuhr mir in die Glieder, als ich im Schatten des Torhauses eine verschleierte Frauengestalt sah. Sie rührte sich nicht. »Hallo«, sagte ich. »Wohnt hier ein Herr Derbacher?« Keine Reaktion. Ich trat auf sie zu. Sie rührte sich immer noch nicht. »Entschuldigen Sie«, sagte ich. Dann brach ich ab. Es war ein großes Plakat, das Foto einer verschleierten Frau. Geworben wurde für die Weihnachtsaufführung der »Csárdásfürstin«.
    Mit klopfendem Herzen ging ich weiter. Irgendwo in der Nähe kläfften Hunde mit jener desolaten Wut, wie sie sie an der Kette bekommen.
    Hinter dem Torbogen war ein kleiner, von niedrigen Gebäuden flankierter Platz. An seinem Ende führte ein Durchgang unter einem zweiten Torhaus in das innere Terrain der Festung. Über diesem aus mächtigen, roh behauenen Granitquadern erbauten Durchgang sah man vergitterte Fenster. Wie ich später erfuhr, handelte es sich um das ehemalige Gefängnis der Anlage. Die prunkvollen Ein- und Ausfahrten der Schloßbesitzer hatten jedesmal unter dem Elend inhaftierter Feinde hindurchgeführt.
    Ich hatte einen großen Innenhof erwartet und war überrascht, auf rohen Fels zu stoßen. Schwarz und haushoch, von grünen Flechten bewachsen, ein mächtiger, Kälte ausstrahlender Quader aus Basalt, ein Magnetberg oder Meteor, von einem anderen Stern mitten in diesen Innenhof gefallen. Auf ihm erhob sich ein Turm, trockengemauert, mit rostigen Mauerhaken, großen Zifferblättern an jeder Seite, auf denen die meisten Zahlen fehlten. Ein Leuchtturm der Zeit. Die gewaltigen Zeiger wanderten wie Schwerter über weiße Felder, von einer unsichtbaren, feindlichen Gewalt bewegt.
    Die ganze Anlage hatte die Form eines Schiffes. Was von außen wie eine mächtige, geschlossene Fassade wirkte, erwies sich von innen als eine Reihe aneinanderstoßender Häuser. Zwischen ihnen und dem Felsen verlief die ausgedehnte Ellipse eines schmalen Ganges.
    Ich hatte ein Gefühl, wie es ein lebenslänglich Gefangener beim Hofgang haben muß. Die Möglichkeit, sich im Kreis zu bewegen, war eine boshafte Karikatur der Freiheit. An den verschiedenen Treppenhauseingängen waren Schilder angebracht: »Zutritt für Fremde verboten.« Ein buckliger, älterer Mann trat aus einem der Hauseingänge und lief vor mir her. Ich rief ihn an, er drehte den Kopf, schüttelte ihn und verschwand um die Ecke. Zweimal machte ich die Runde um den Felsen, ehe ich an einem der Aufgänge das Namensschild des Malers entdeckte.
    Ich betrat das Treppenhaus. Die Wände waren in erbärmlichem Zustand,

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