Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
anzusprechen. Wie auch, ohne zu riskieren, ihn bis in alle Ewigkeit zu vergraulen?
„Hey, ich lag letzte Nacht w ach und habe lange nachgedacht. Jetzt bin ich beinahe überzeugt davon, dass du meine Gedanken lesen kannst. Also, stimmtʼs?“ ... Wohl kaum!
Seufzend drehte ich mich auf die Seite. Nein, ich konnte ihn nicht fragen. Aber ich konnte seine Reaktionen genauer beobachten, nur für mich, und meine eigene seltsame Theorie damit widerlegen. Still, heimlich – und zur Abwechslung mal, ohne mich dabei bis auf die Knochen zu blamieren. Ja, das konnte ich tun.
Und mit diesem Entschluss ließ das Pochen hinter meinen Schläfen nach, ganz ohne Kopfschmerztablette. Der Schlaf kam, umhüllte mich gnädig und zog mich unbemerkt mit sich. Als mein Wecker wenige Stunden später klingelte, brannte mein Nachtlicht noch immer.
An diesem Tag holte ich meinen Mini aus der Werkstatt. Ich war begeistert, mein Auto und damit meine Freiheit zurückzuerhalten und erleichtert über die unbürokratische Handhabung der Werkstatt. Deren Mitarbeiterin rechnete direkt über die Versicherung des BMW-Fahrers ab und beteuerte mir, ich bräuchte mich um nichts weiter zu kümmern.
Andererseits fielen so die gemeinsamen Schulfahrten mit Noah und seinen Geschwistern weg, was ich ziemlich bedauerte.
Dank Noahs Hilfe kam ich an diesem Tag etwas besser im Mathematikunterricht mit. Die Mittagspause verbrachten wir wieder gemeinsam unter unserem Baum hinter der Schule. Wir einigten uns darauf, uns mit dem Essen abzuwechseln und einen über den anderen Tag jeweils etwas von zu Hause mitzubringen.
Fortan bildeten die Mittagspausen mit Noah die Höhepunkte meines Schulalltags. Den gesamten Vormittag fieberte ich unserer gemeinsamen Stunde entgegen. Dem Moment, in dem ich das Schulgebäude verließ und gegen die Sonne blinzelte, bis das gleißende Licht nachließ und meinem liebsten Bild wich. Jedes Mal ging mir das Herz auf, wenn ich Noah sah, wie er an dem Stamm der alten Buche lehnte, die Hände tief in den Hosentaschen seiner Jeans versenkt, und mich erwartete. Wie ein erstes Lächeln um seinen Mund zuckte, sobald er mich erblickte. Ich wusste nicht, womit ich das Glück verdient hatte, offenbar die Einzige zu sein, die ihm dieses Lächeln in sein schönes Gesicht zaubern konnte, aber ich war sehr stolz auf diese Tatsache.
Allzugern hätte ich gewusst, ob Noah auch nur im Ansatz ahnte, wie sehr ich ihm verfallen war. Vielleicht wäre es ganz gut gewesen, er hätte es nicht im vollen Ausmaß mitbekommen. Allerdings machte ich mir diesbezüglich keine allzu großen Hoffnungen, denn mein Körper entpuppte sich immer wieder als elendiger Verräter.
Erniedrigend eigentlich, aber ich war zu glücklich, um mich allzu lange mit meiner Scham zu beschäftigen. Und so ließ ich es zu, dass Noah die Botschaft meiner strahlenden Augen las. Das glühende Rot, das mir bei seinem Anblick noch immer – jedes Mal wieder – in die Wangen schoss, unterstrich meinen hoffnungslosen Zustand nur noch.
Ja, ich liebte ihn.
Auch die Nachmittage verbrachten wir gemeinsam. Zufrieden beobachtete ich Noahs Bemühungen, Adrian und Lucy mehr in sein Leben zu integrieren. Das zeigte sich natürlich nur an winzigen Kleinigkeiten, wie beispielsweise , als Lucy nach Maries formidablem Essen den Tisch mit einem feuchten Tuch säuberte und Noah unmittelbar neben ihr trocken nachwischte. Das allein war schon eine bedeutsame Premiere, aber es kam noch besser. Lucy tippte bei ihren Wischbewegungen aus Versehen gegen Noahs Hand und zuckte im selben Moment zurück, als hätte sie eine heiße Pfanne anstelle seiner Finger berührt. Sie entschuldigte sich und versicherte ihm, es sei keine Absicht gewesen. Noah hingegen wirkte vollkommen gelassen. Er lächelte nur und legte dann für einen kurzen Moment seine Hand auf Lucys. „Schon gut, nichts passiert“, sagte er leise und schenkte ihr sein süßes Lächeln.
Am Donnerstag kam Noah direkt nach dem Essen, das bei den Franklins zur englischen Teatime stattfand, zu mir. Wir erledigten gemeinsam unsere Hausaufgaben, lernten für den anstehenden Geschichtstest und klimperten ein wenig auf meiner Gitarre herum. Gut, ich klimperte – er spielte. Wunderschön, wie immer. Noah barg noch immer so viele Geheimnisse für mich. Die meisten wagte ich nicht anzugehen, aus Furcht der entspannte, zufriedene Junge an meiner Seite könn te mir entgleiten und erneut dem Nervenbündel von zuvor weichen. Ich war mir bewusst darüber, dass
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