Blick in Den Abgrund -3-
Handtuch fiel zu Boden, und sie stand nackt und fröstelnd vor ihm.
»Ich habe dich schon früher gesehen«, sagte er leise. »Sei nicht schüchtern. Du bist wunderschön.«
Margot versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen und sich in die Lücke zwischen dem Waschbecken und der Toilette zu zwängen. Sie war einer Ohnmacht nahe, aber sie durfte jetzt nicht das Bewusstsein verlieren. Auf keinen Fall.
»Bitte«, wisperte sie.
»Oh nein! Es ist noch zu früh, um Liebe zu machen«, summte er. »Das wird deine Belohnung sein, sobald du mir verraten hast, wo du den Abdruck versteckt hast. Wenn ich Marcus den Abdruck bringe, muss er dich nicht foltern. Du willst nicht, dass Marcus dich foltert. Er liebt dich nicht, so wie ich es tue. Er würde nicht so behutsam mit dir umgehen wie ich.«
Das Wort »foltern« löste ein solches Chaos in ihrem überforderten Hirn aus, dass sie den Rest kaum verstand.
»Der … der Abdruck? Ich weiß nichts von einem …«
»Tu das nicht.« Sein Gesicht zuckte. »Zwing mich nicht, dir wehzutun. Ich liebe dich. Ich möchte dir nicht wehtun. Aber ich werde, wenn es sein muss. Ich werde, Margaret.«
»Warum?«, schluchzte sie. »Weshalb solltest du mir wehtun? Meinst du mit Abdruck den von einem Finger oder so was wie einen Gipsabdruck? Ich habe keinen …«
»Ich wollte das nicht.« Seine Stimme brach, als wäre er den Tränen nahe. »Ich liebe dich. Erinnere dich hinterher daran. Versprich mir, dass du dich erinnern wirst!«
Er packte sie an der Kehle und stieß seinen Daumen und Zeigefinger in ihr Fleisch. Der Schmerz war unbeschreiblich. Sie schrie.
Davy suchte auf dem Parkplatz des Six Oaks Hotel nach dem weißen Mietwagen. Dem Peilsender zufolge war sie seit zwanzig Minuten hier, aber Davys Haut kribbelte, als wäre ein ganzer Ameisenstaat unter seine Kleidung gekrochen. Snakey hatte sie erwischt. Er konnte den Kerl spüren. Entweder das, oder er drehte allmählich komplett durch. Keine der beiden Alternativen würde ihn noch sonderlich überraschen.
Ohne den Polizisten, der ihm ein Bußgeld aufgebrummt hatte, weil er zu schnell gefahren war, wäre er gleichzeitig mit ihr eingetroffen. Er hätte das Zehnfache bezahlt, um diese verlorenen zwanzig Minuten zurückzubekommen.
Sein Herz machte einen Satz, als er um die Ecke bog. Ein weißer Taurus, Washingtoner Kennzeichen. Seine böse Vorahnung meldete sich mit jeder verstreichenden Sekunde lauter. Mit einem Ruck stoppte er den Wagen, schaltete den Motor aus und rannte mit gezogener Pistole los. Das Schloss war verriegelt, aber ein einziger brachialer Schulterstoß genügte, und die dünne Tür schwang auf.
Margot lag nackt auf dem Bett, die Arme über den Kopf gestreckt und die Handgelenke mit Plastikmanschetten an die Holzknäufe des billigen Betts gefesselt. Sie war mit einem weißen Tuch geknebelt, ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, aber sie lebte. Snakey wirbelte herum und nahm eine drohende Verteidigungshaltung ein. Auf dem Bett lag ein geöffneter Koffer voller Objekte, die im Licht der Deckenlampe bösartig funkelten.
Davy zielte und gab eine Kugel auf den Hurensohn ab, aber der reagierte blitzschnell, indem er mit einer akrobatischen Bewegung über Margots Körper hechtete. Er ging auf der anderen Bettseite in Deckung und riss den Nachttisch hoch, um sich vor Davys nächstem Schuss zu schützen. Es folgte ein von einer Explosion begleiteter Splitterregen, und Snakey schleuderte das Möbelstück über das Bett. Davy duckte sich, doch das schwere Geschoss traf ihn an derselben Schulter, mit der er die Tür aufgebrochen hatte.
Ein lähmender Schmerz durchfuhr ihn, die Waffe fiel aus seinen tauben Fingern, und Snakey sprang, die Finger angriffsbereit ausgestreckt, schnell wie der Teufel über das Bett.
Davy parierte die Attacke, aber Snakeys Schwungkraft schmetterte ihn so brutal gegen die Wand, dass er keine Luft mehr bekam. Der nächste Sekundenbruchteil zeitloser, atemloser Unendlichkeit war ein hektischer Wirbel aus Angriff, Abwehr und Ringen um Luft. Davys Reflexe waren nach zwölf angstgepeinigten Stunden hinter dem Steuer träge. Snakey sollte eigentlich in der gleichen Verfassung sein, nur dass es dem Wichser nicht anzumerken war. Mit dem Rücken an der Wand blieb Davy kaum genügend Raum, um einen Schlag abzublocken, der ihm um ein Haar die Gesichtsknochen ins Hirn getrieben hätte. Blut spritzte. Er war zu beschäftigt, um sich darum zu sorgen.
Snakey wischte sich Blut vom Gesicht – Davy wusste
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