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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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Mom, über dem Lenkrad zusammengebrochen, eine blutige Hand, die an der Seite herunterhängt. Ich erinnerte mich noch daran, wie die Polizei vor der Tür stand, wie die breiten Schultern meines Vaters bebten, als er auf die Knie sank. Robbie und ich liefen zu ihm, spürten, dass etwas Schreckliches geschehen war, dass das Leben nie wieder dasselbe sein würde. Ich schluckte hart und versuchte, etwas zu Steve zu sagen. Ich konnte es nicht.
    Er wechselte das Thema. »Levi wohnt immer noch in Shawnigan.«
    Froh um die Ablenkung, ging ich sofort darauf ein. »Ich dachte, er wäre mit der Kommune fortgegangen.«
    »Er ist zurückgekommen. Er betreibt jetzt eine Wasserskischule am See, vermietet Boote, Jet-Skis, so was alles. Kann sein, dass er bereit ist, mit Ihnen zu reden. Er ist immer sehr freundlich.«
    Levi war stets gutmütig gewesen, umgänglich und lebenslustig, doch meine Erinnerungen an ihn waren verknüpft mit Bildern von Robbie, wie die beiden mit den Mädchen redeten und lachten, oder wie sie zusammen auf dem Feld arbeiteten. Damals hatte ich Robbies schlechte Laune bei unserer Heimkehr darauf zurückgeführt, dass er seinen Freund vermisste, aber jetzt fiel mir ein, dass die beiden schon in den Tagen vor unserem Weggang, nach Finns Tod, kaum miteinander gesprochen hatten. Ich versuchte, mich auf diese Zeit zu konzentrieren, um eine Erklärung dafür zu finden, einen Streit oder eine Auseinandersetzung, aber mir fiel nichts ein. Ob Robbie wohl wusste, dass Levi wieder in der Gegend war? Höchstwahrscheinlich, aber warum hatte er ihn nicht erwähnt, als ich ihn nach ehemaligen Kommunemitgliedern gefragt hatte?
    Steve sagte: »Da ist noch jemand, mit dem Sie reden könnten, aber sie könnte eine härtere Nuss sein.«
    »Wer?«
    »Mary. Sie gehörte ebenfalls zur Kommune, aber sie blieb hier, als die anderen nach Victoria zogen. Sie hat ein Gehöft außerhalb der Stadt am Fluss, links von der Abzweigung. Warten Sie, ich zeichne es Ihnen auf.«
    Er stand auf, holte etwas Papier aus der Küchenschublade und skizzierte eine Karte. Währenddessen versuchte ich mich an ein Mitglied namens Mary zu erinnern, aber ich konnte kein Gesicht heraufbeschwören. Ich war überrascht, dass wir ihr als Kinder nie über den Weg gelaufen waren und dass Mom und Robbie sie nie erwähnt hatten.
    Steve reichte mir die Skizze.
    »Danke. Vielleicht sollte ich gleich mal zu ihr rausfahren.«
    Aus irgendeinem Grund war ich noch nicht bereit, Levi zu besuchen, und blockte die Vorstellung unwillkürlich sofort ab. Stattdessen stürzte sich mein Unterbewusstsein auf diese neue Information: Es gab noch eine Frau, die die Kommune verlassen hatte. Bis auf meine eigene Familie, Willow sowie Heather und Daniel kannte ich keine ehemaligen Mitglieder.
    »Viel Glück – sie ist ziemlich verschlossen. Ich musste vor ein paar Jahren mal mit ihr über ein paar Einbrüche in der Gegend reden, und sie hat die ganze Zeit zum nächsten Ausgang geschielt. Ich bin sicher, dass sie einiges zu erzählen hat, aber es ist gut möglich, dass sie nicht damit herausrücken wird.«
    Seine Einschätzung überraschte mich nicht. Wenn sie beschlossen hatte, hierzubleiben, hatte sie vermutlich ihre Gründe, gute Gründe. Ich wollte unbedingt mit ihr reden.
    Steve und ich tauschten unsere Telefonnummern aus, dann begleitete er mich zu meinem Wagen. Ich stieg ein und startete den Motor. Er klopfte auf das Dach, um mich daran zu erinnern, mich anzuschnallen. Als ich das Fenster herunterließ, um ihm zu danken, beugte er sich herunter und sagte: »Fahren Sie vorsichtig. Und halten Sie die Ohren steif! Ich telefoniere etwas herum und werde sehen, ob ich etwas herausfinde.«
    »Danke. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie den Kontakt zu den Schwestern herstellen könnten.«
    »Ich werde mir Mühe geben.«

    Ich war froh, dass Steve einige meiner Befürchtungen teilte, aber als ich an die anderen jungen Mädchen dachte, die möglicherweise ebenfalls missbraucht worden waren, wurde ich wütend. Wie viele mochte es noch geben? Ich dachte an einen nicht lange zurückliegenden Fall sexuellen Missbrauchs, der ein großes Medienecho hervorgerufen hatte, da der Täter einen hohen Posten an der Universität bekleidet hatte. Sobald sich endlich ein Opfer vorgewagt hatte, waren ein Dutzend weitere dem Beispiel gefolgt. Ich dachte an all die Mädchen, die zur gleichen Zeit in der Kommune gewesen waren wie ich. Ich versuchte, mich an ihre Namen zu erinnern, aber viele fielen

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