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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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Ich muss die ganze Zeit an die Mütter denken und dass niemand ahnt, wie er wirklich ist oder zu was er in der Lage ist. Wie gesagt, ich kann deine Besorgnis sehr gut verstehen, aber wenn du der Polizei von deinem Finger erzählst, nehmen sie die Ermittlungen vielleicht etwas ernster.«
    Schweigend ließ sie ein Ei mit seiner zerbrechlichen Schale zwischen ihren rauen Fingern kreisen. »Ich werde darüber nachdenken.«
    Mein Bauch sagte mir, dass sie keine Sekunde daran dachte, mit der Polizei zu reden, aber ich wollte sie nicht drängen. Die Wahrheit war, dass es nach so langer Zeit schwierig sein würde, einem Fall von Körperverletzung nachzugehen, und ich konnte es ihr nicht verübeln, dass sie sich dem nicht aussetzen wollte.
    Ehe ich ging, schenkte sie mir netterweise einen Karton Eier. Vorsichtig fuhr ich von ihrem Hof und wich dabei den Schlaglöchern aus, bis ich wieder auf der Asphaltstraße war. Ich dachte immer noch über Mary nach, als mir bewusst wurde, dass ich mich genau an der Stelle befand, an der meine Mutter verunglückt war. Ich hielt an und betrachtete den Baum, der sie das Leben gekostet hatte. Er war größer geworden, doch die Narbe war immer noch zu sehen.
    Auf dem Rückweg nach Victoria fuhr ich bei Robbie vorbei, um ihn nach Willow zu fragen und ob er wusste, dass Mary ganz in der Nähe lebte, aber sein Truck war nicht da, und das Haus war dunkel.

22. Kapitel
    Auf dem Weg ins Krankenhaus hielt ich beim Bio-Café an der Ecke an, um mir meinen üblichen grünen Tee zu holen. Als ich mich zum Gehen wandte, den Pappbecher in der Hand, fiel mein Blick plötzlich auf Daniel. Es war Montagmorgen, doch er saß allein in der Ecke, den Rücken zur Wand, und las Zeitung. Als er meinen Blick auf sich spürte, schaute er auf und winkte mich mit einem schwachen Lächeln zu sich.
    Ich sagte: »Guten Morgen.« Ich freute mich, ihn zu sehen. Ich hatte über ihn nachgedacht und mich gefragt, wie es ihm wohl ging. »Ich wusste gar nicht, dass Sie in diesem Teil der Stadt wohnen.«
    »Tue ich auch nicht.« Er deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Krankenhaus. »Ich musste ein paar Verzichtserklärungen unterschreiben.«
    Er mochte zwar das Krankenhaus von jeglicher Verantwortung für Heathers Tod entbunden haben, doch ich wünschte trotzdem, wir hätten ihr helfen können. Daniel sah aus, als könnte er selbst Hilfe gebrauchen. Seit der Beerdigung hatte er abgenommen, er war blass, hatte dunkle Ringe unter den Augen und sich offenkundig seit Tagen nicht mehr rasiert.
    »Wie geht es Ihnen, Daniel? Kommen Sie zurecht?«
    Er zuckte die Achseln, eine traurige, niedergeschlagene Geste.
    Ich zeigte auf den Stuhl ihm gegenüber. »Möchten Sie eine Weile reden?« Er war nicht mein Patient, und es wäre auch nicht richtig, wenn ich ihn behandelte, aber es kam mir falsch vor, jetzt einfach zu gehen, ohne ihm Trost anzubieten.
    »Bitte.« Er wirkte verstört, wie ich es bei Trauernden in den ersten Wochen nach dem Tod eines geliebten Menschen schon oft gesehen hatte. Wenn jemand starb, mussten sich die Angehörigen zunächst um alles Mögliche kümmern, andere Menschen mussten benachrichtigt, die Beerdigung geplant werden. Man war pausenlos beschäftigt.
    Doch irgendwann gab es keine Ablenkung mehr, nur noch Stille und das Gefühl des Verlusts.
    Sobald ich saß, sagte er: »Ich habe wieder angefangen zu arbeiten, und ich zwinge mich, laufen zu gehen, aber ich vermisse Heather so sehr … Ich habe es noch nicht geschafft, irgendetwas von ihren Sachen zusammenzupacken.«
    Ich dachte an Paul und dass es Monate gedauert hatte, bis ich es schaffte, seine Kleider wegzugeben. Jahrelang noch hatte ich in seinen Pyjamas geschlafen.
    Daniel schüttelte den Kopf. »Ich sollte Sie nicht mit solchen Dingen belästigen. Wahrscheinlich müssen Sie zur Visite oder so etwas.«
    »Das ist schon in Ordnung. Aber ich schlage vor, dass Sie sich jemanden zum Reden suchen, wenn es Ihnen schlechtgeht. Wie wäre es mit einer Trauergruppe? Es gibt eine, die sich in der Klinik trifft. Ich könnte Ihnen die Kontaktdaten mailen.«
    »Nein, ich mache nur noch den laufenden Job zu Ende, dann kehre ich ins Zentrum zurück.«
    Es leuchtete ein, dass Daniel sich Trost von etwas Vertrautem erhoffte, trotzdem war ich alarmiert, als ich von dem Plan hörte.
    »Sie erinnern sich, dass Sie im Zentrum glücklich waren«, sagte ich, »also glauben Sie, dass es Ihnen helfen wird, dem Schmerz zu entgehen, wenn Sie dorthin zurückkehren. Leider gibt es keine

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