Blick in Die Angst
ich endlich vorankam.
»Mach ich. Danke.«
Wir unterhielten uns noch eine Weile über ein neues Beratungsangebot, das er initiiert hatte und das sich an junge Männer richtete, die ihren Job verloren hatten – ein Thema, das ihm aufgrund eigener Erfahrung nicht fremd war. Diese Gemeinsamkeit war ein erster Schritt, um das Vertrauen der Männer zu erlangen. Wir sprachen auch über meinen Patienten, Brandon. Ich fand Kevins Projekt interessant, und es lenkte mich von meinen Grübeleien über die Kommune ab. Wir redeten lange, bis ich nach einem Blick auf die Uhr erschrocken feststellte, dass meine Mittagspause vorbei war. Ein Gedanke, dem prompt ein Gefühl der Enttäuschung folgte.
»Schade. Ich muss zurück an die Arbeit.« Ich stand auf und nahm mein leeres Tablett. »Danke, dass du mir Gesellschaft geleistet hast.«
Kevin wirkte ebenfalls enttäuscht, was mich aus unerklärlichem Grund freute. »Gern geschehen. Wenn du mal wieder ein Ohr brauchst – du weißt, wo du mich findest.«
»Danke. Ich werde daran denken.«
Ich ging den ganzen Weg bis zum Treppenhaus und war bereits auf dem Weg in den ersten Stock, ehe mir einfiel, dass ich meinen nächsten Termin im Erdgeschoss hatte.
23. Kapitel
Nach der Arbeit fuhr ich nach Hause, um rasch einen Happen zu essen. Ich kaute mechanisch, denn mein Magen verkrampfte sich bei der Vorstellung, mit einer Frau zu sprechen, die dasselbe durchgemacht hatte wie ich. Tammy lebte in Fernwood, einem älteren Viertel nahe der Innenstadt und nicht weit von mir entfernt. Als ich an die Hintertür ihres zitronengelben Hauses im viktorianischen Stil klopfte, stellte ich fest, dass die Farbe größtenteils abgeblättert war und die hintere Veranda gerade repariert wurde. Ein älterer Wagen mit zwei platten Reifen stand in der Auffahrt. Tammy öffnete die Tür, ein lächelndes blondes Baby auf dem Arm. Sie selbst war eine gutaussehende Frau mit ungeschminktem, rundlichem Gesicht. Das braune Haar war zu einem zerzausten Pferdeschwanz zurückgebunden, und die feingesprenkelten Sommersprossen verliehen ihr ein jugendliches Aussehen. Doch den Fältchen an den Augenwinkeln nach zu urteilen, war sie wahrscheinlich bereits in den Dreißigern.
Sie sagte: »Kommen Sie herein. Aber das Haus ist ein einziges Chaos.«
»Das ist völlig in Ordnung.«
Ich streifte sorgfältig meine Schuhe ab, ging in die Küche und sagte: »Sie haben ein wunderschönes Haus.«
Sie wandte sich von der Kaffeekanne ab, das Gesicht rosig vor Freude. »Danke. Es wird noch lange dauern, bis wir es so haben, wie wir wollen, aber Sie wissen ja.« Sie hob die Schultern. »Babys haben Vorrang.«
»Es sieht so aus, als hätten Sie bereits einiges geschafft. Wie Sie die Schränke aufgearbeitet haben, gefällt mir.«
»Danke.« Lächelnd folgte sie meinem Blick. »Das habe ich selbst gemacht.«
Sie hatte ihre Sache gut gemacht. Ich stellte mir vor, wie sie sorgfältig jeden Schrank lackiert und die gläsernen Türgriffe angeschraubt hatte, um Stück für Stück ein gemütliches Zuhause für ihre Familie zu schaffen. Mit schmerzlichem Bedauern dachte ich an die Zeit, als ich mit Lisa schwanger war. Kurz vor dem Geburtstermin wurde mein Nestbautrieb so stark, dass ich Paul dazu brachte, fast das ganze Haus neu zu streichen. Lächelnd hatte er mir den Wunsch erfüllt, auch wenn er die ganze Zeit über meine Hormone fluchte.
Tammy setzte ihr Baby in einen Laufstall in der Ecke, schenkte uns einen Kaffee ein und nahm mir gegenüber Platz. Sie musterte mich aufmerksam und hatte den Oberkörper leicht vorgebeugt – ein gutes Zeichen. Sie eröffnete das Gespräch.
»Sie haben also auch in der Kommune gelebt?«
Ich nickte. »Ja, damals Ende der sechziger Jahre, als sie noch in Shawnigan Lake war. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir etwas von Ihren Erlebnissen erzählen. Sie haben eine Schwester?«
Sie nagte an ihrer Lippe und schaute kurz zur Tür. Ich folgte ihrem Blick. »Lebt Ihre Schwester hier bei Ihnen?« Vielleicht erwartete sie sie zurück.
»Nein. Sie ist in die Kommune zurückgegangen.«
Ich starrte sie überrascht an. Damit hatte ich nicht gerechnet.
»Ich habe es dem Cop nicht gesagt, weil ich nicht will, dass er versucht, sie dort drin zu erreichen, und sie deswegen wütend auf mich wird. Sie ruft mich nicht mehr an, weil sie weiß, dass ich möchte, dass sie dort weggeht.«
»Warum wollen Sie, dass sie die Kommune verlässt?«
Jetzt lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück und schuf auf diese Weise etwas
Weitere Kostenlose Bücher