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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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und wogte. »Seid ihr okay?«, rief sie lachend. Ihr Haar umflatterte ihr Gesicht, und sie schüttelte andauernd den Kopf.
    »Oh, ich glaube, wir sind okay«, rief Ziller zurück. »Und Sie?«
    »Mir ging es noch nie besser!«, brüllte die Frau; sie blickte hinauf zum Blimp und dann hinunter zum Boden.
    »Um auf das Thema Schummelei zurückzukommen«, sagte Ziller.
    Sie lachte. »Ja? Was?«
    »Der ganze Ort hier ist eine Schummelei.«
    »Wie das?« Sie löste eine Hand und hielt sich leichtsinnig mit nur einem Arm fest, um mit der anderen Hand mit eingezogenen Klauen die Haare von ihrem Mund wegzustreichen. Die Bewegung machte Kabo nervös. Er an ihrer Stelle hätte eine Mütze oder so etwas getragen.
    »Er soll aussehen wie ein Planet«, rief Ziller. »Aber er ist in Wirklichkeit gar keiner.«
    Kabo beobachtete die immer noch nicht vollends aufgegangene Sonne. Sie schien jetzt leuchtend rot. Ein Orbitaler Sonnenaufgang, ebenso wie ein O-Sonnenuntergang, dauerte entschieden länger als derselbe Vorgang auf einem Planeten. Der Himmel oben wurde als Erstes hell, dann schienen die aufsteigenden Sterne aus dem Infrarot heraus zu verschmelzen, ein schimmerndes zinnoberrotes Spektrum tauchte aus der Dunstlinie auf und glitt am Horizont entlang, schwach durch die Wände der Platte und die ferne Lufthülle schimmernd und nur langsam an Höhe gewinnend, obwohl das Tageslicht, wenn es einmal richtig eingesetzt hatte, länger anhielt als auf einem Globus. All das war wahrscheinlich insofern ein Vorzug, dachte Kabo, als Sonnenuntergang und Sonnenaufgang oft die aufregendsten und reizvollsten Bilder des Tages mit sich brachten.
    »Na und?« Feli hielt sich nun wieder mit beiden Händen fest.
    »Warum belasten Sie sich mit uns?«, rief Ziller und deutete auf den Blimp. »Fliegen Sie hinauf. Benutzen Sie ein Fluggeschirr…«
    »Mach alles im Traum, mach alles in der virtuellen Realität!«, lachte sie.
    »Wäre das weniger falsch?«
    »Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Wäre es weniger Spaß?«
    »Und, wäre es?«
    Sie nickte heftig. »Aber ganz gewiss!« Ihr Haar, das von einem plötzlichen Aufwind gepackt wurde, wirbelte um ihren Kopf wie schwarze Flammen.
    »Dann macht es Ihnen also nur dann Spaß, wenn ein gewisses Maß an Realität enthalten ist?«
    »Auf jeden Fall macht es mehr Spaß«, rief sie zurück. »Manche Leute betreiben das Blimpspringen als wichtigste Freizeitbeschäftigung, aber sie machen es immer nur in der…« Ihre Stimme verlor sich, als eine Windbö um sie herum toste; der Blimp wackelte, und das Flugzeug zitterte ein wenig.
    »In was?«, brüllte Ziller.
    »Im Traum«, rief sie. »Das sind VR- Gleitflossen-Puristen, die sich etwas drauf zugute halten, dass sie niemals das Echte machen.«
    »Verachten Sie sie?«, brüllte Ziller.
    Die Frau sah verblüfft aus. Sie beugte sich aus der gekräuselten Membrane, dann löste sie eine Hand – diesmal ließ sie den Handschuh dort, wo er war, verankert in der dicken Fadenmembran –, wühlte in ihrer Bauchtasche und klemmte sich etwas Winziges an einen Nasenflügel. Dann schob sie die Hand wieder in den Handschuh und lehnte sich entspannt zurück. Als sie wieder sprach, hatte ihre Stimme einen normalen Ton und – übertragen über Kabos Nasenring und welche Terminaleinrichtung Ziller auch immer benutzen mochte – hörte sich an, als säße sie gleich neben ihnen beiden.
    »Verachten, sagten Sie?«
    »Ja«, antwortete Ziller.
    »Warum, in aller Welt, sollte ich sie verachten?«
    »Sie erreichen mit einem minimalen Aufwand und ohne Risiko das, wofür Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen.«
    »Das ist ihre eigene Entscheidung. Ich könnte es ebenfalls so machen, wenn ich wollte. Und überhaupt«, sagte sie, blickte kurz zu dem Blimp über sich hinauf und warf dann einen längeren Blick auf den Himmel ringsum, »ist es ja nicht genau das Gleiche, was man damit erreicht, nicht wahr?«
    »Nein?«
    »Nein. Man weiß, dass man in der VR war, nicht in der Wirklichkeit.«
    »Auch in dieser Hinsicht könnte man schummeln.«
    Sie seufzte, dann verzog sie das Gesicht. »Sehen Sie, es tut mir Leid, aber es ist Zeit zu fliegen, und ich möchte gern allein sein. Das ist nicht böse gemeint.« Sie zog die Hand wieder aus dem Handschuh, zog sich das angeklemmte Terminal von der Nase und steckte es wieder in die Bauchtasche; dann schob sie die Hand mit einiger Mühe wieder in den Handschuh. Kabo fand, dass sie kalt aussah. Sie befanden sich jetzt einen halben Kilometer über dem

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