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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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stromabwärts gerichtete Maul des Lavatunnels hatte Zähne; es war gespickt mit gezackten Erhebungen, die wie Stalaktiten aussahen.
    »Dornen! Duckt euch!«
    Eine der Hängedornen zerriss die dünne Abdeckung des Floßes und warf sie auf die gelb schimmernde Oberfläche des Lavastroms. Die Abdeckung schrumpfte, ging in Flammen auf und stieg dann, eingefangen von der Thermik, die aus den verflochtenen Flussadern aufstieg, flatternd wie ein brennender Vogel auf. Ein Hitzeschwall wogte über das Floß. Leute schrien laut auf. Kabo musste sich flach auf den Rücken werfen, um zu verhindern, dass er von einem der hängenden Speere aus Felsgestein aufgespießt wurde. Er spürte, wie etwas unter ihm nachgab; er hörte ein Schnappen und einen besonders schrillen Schrei.
    Das Floß schoss aus dem Tunnel hinaus in eine breite Klamm zwischen scharfkantigen Felsen, deren basaltdunkle Kanten von dem breiten Strom aus Lava, der zwischen ihnen verlief, erhellt wurden. Kabo erhob sich wieder zur vollen Höhe. Die meisten der an Bord anwesenden Menschen bespritzten sich gegenseitig mit Wasser, um sich nach dem letzten Hitzeausbruch zu kühlen; viele hatten einen Teil ihrer Haare eingebüßt, einige saßen oder lagen da und sahen versengt, aber gleichgültig aus, indem sie leeren Blickes geradeaus starrten, an einigen Stellen mit Flüssigkeit absondernden Blasen bedeckt. Ein Paar saß einfach nur in sich zusammengesunken auf dem flachen Deck des Floßes und weinte laut.
    »War das Ihr Bein?«, fragte Kabo den Mann, der hinter ihm auf dem Deck saß.
    Der Mann hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das linke Bein. »Ja«, sagte er. »Ich glaube, es ist gebrochen.«
    »Ja, das glaube ich auch. Tut mir außerordentlich Leid. Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Versuchen Sie, nicht noch mal so wie gerade zurückzusinken, nicht so lange ich hinter Ihnen bin.«
    Kabo blickte nach vorn. Der glühende Fluss aus orangefarbener Lava schlängelte sich in der Ferne zwischen den Wänden der Schlucht hindurch. Es waren keine weiteren Lavatunnels sichtbar. »Ich glaube, das kann ich Ihnen versprechen«, sagte Kabo. »Bitte, entschuldigen Sie; man hat mir gesagt, ich soll mich im Zentrum des Decks niedersetzen. Können Sie sich bewegen?«
    Der Mann stützte sich mit einer Hand am Boden ab und hob sich auf die Hinterbacken, wobei er immer noch mit der anderen Hand sein Bein festhielt. Allmählich beruhigten sich die Leute. Einige weinten noch, aber einer schrie, dass alles in Ordnung sei, es gäbe keine weiteren Lavatunnels mehr.
    »Geht’s einigermaßen?«, fragte eine der Frauen den Mann mit dem gebrochenen Bein. Die Jacke der Frau schwelte noch. Sie hatte keine Augenbrauen mehr, ihr blondes Haar sah zerzaust aus und war an manchen Stellen zusammengebacken.
    »Der Knochen ist gebrochen. Aber ich werd’s überleben.«
    »Daran bin ich schuld«, erklärte Kabo.
    »Ich besorge eine Schiene.«
    Die Frau ging zu einem Spind am Heck. Kabo sah sich um. Es roch nach versengten Haaren, angekokelter Kleidung und leicht angeröstetem Menschenfleisch. Er sah Leute mit fahlen Flecken im Gesicht, und einige hatten die Hände in Wassereimer getaucht. Das zusammengeduckte Paar wimmerte immer noch. Die meisten anderen, sofern sie nicht in Verzückung geraten waren, trösteten sich gegenseitig; tränengestreifte Gesichter wurden von dem lebhaften Licht beleuchtet, das von den glasscharfen schwarzen Felsen zurückgeworfen wurde. Hoch oben, am braundunklen Himmel wahnwitzig blinkend, blickte die Nova Portisia bösartig auf sie herab.
    Und so was soll Spaß machen?, dachte Kabo.
    ~Wird es noch lächerlicher?~
    »Was?«, brüllte jemand vom Bug des Floßes. »Stromschnellen?«
    ~Wohl kaum.~
    Jemand schluchzte hysterisch.
    ~Ich hab genug gesehen! Sollen wir?~
    ~Unbedingt. Einmal reicht wahrscheinlich.~
     
    ENDE DER AUFZEICHNUNG
     
    Kabo und Ziller musterten sich gegenseitig quer durch einen großen, elegant möblierten Raum hinweg, der erhellt war von goldenen Sonnenstrahlen, die durch die offenen Balkonfenster hereinfielen, bereits gefiltert durch die sanft wogenden Zweige eines Immerblaus, das draußen wuchs. Unzählige weicher Nadelschatten bewegten sich auf dem mit Keramikkacheln gefliesten Boden, legten sich über die knöcheltiefen, abstrakt gemusterten Teppiche und huschten lautlos über die kunstvoll verzierten Flächen glänzender Anrichten, reich geschnitzte Truhen und üppig gepolsterte Sofas.
    Sowohl der Homomdaner als auch der Chelgrianer trugen Gebilde

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