Blind Date mit Folgen - Roman
auf dem anderen Platz nahm. Sie zog den kleinen Holzschemel heran, um ihre Beine bequem daraufzulegen. Das Licht der Abendsonne spielte in den langen, geschmeidigen Ästen der großen Trauerweide im Hinterhof und das Vogelgezwitscher rundete das harmonische Bild ab. Sie wollte gerade eine Kerze anzünden, als eine SMS ertönte. Sie stand nochmals auf, holte ihr Handy vom Wohnzimmer und las auf dem Weg zurück auf den Balkon Svens Nachricht.
Für Nachtschwärmer.
Schau mal vor die Tür :-)
Smack, S.
Sie musste lächeln. Was hatte er nun schon wieder gebracht?
Sie lief in den Flur und öffnete die Eingangstür. Auf dem Boden stand ein kleiner Karton, in dem ein mit M&M’s bedeckter McFlurry steckte, ihr Lieblingseis. Es war noch nicht einmal geschmolzen, er musste sich sehr beeilt haben. Maira strahlte nun übers ganze Gesicht. Das war genau das, was sie jetzt brauchte, ein Eis! Sie nahm die Schachtel und begab sich wieder auf die Terrasse.
Das war typisch Sven. In Momenten, wo sie es am wenigsten erwartete, überraschte er sie immer wieder aufs Neue. Er war ein so guter, verlässlicher Freund und manchmal plagte sie fast ein schlechtes Gewissen, dass sie auf seine Aufmerksamkeiten meist nur ›reagierte‹ und die Initiative für Freundschaftsbezeugungen selten von ihr ausging. Bevor sie mit der Schleckerei anfing, wollte sie sich bei ihm bedanken. Sie wählte Svens Nummer.
»Ja …?«
»Hey, danke vielmals! Ist sooo lieb von dir, Sven, genau das, was ich jetzt brauche.«
»Dachte ich mir doch«, lachte er. »Ich bin grad dort vorbeigefahren und hatte selber Lust auf ein Eis, da hab ich gedacht, Maira sitzt sicher auf ihrem Balkon und könnte auch eins vertragen.«
Anscheinend war es für alle normal, dass sie an einem warmen, wundervollen Sommerabend allein zu Hause hockte. So weit war es schon gekommen. »Warum hast du denn nicht geklingelt?«
»Ach, ich wollte dich nicht stören. Du bist sicher gerade an was dran …«
Am Tagebuchschreiben, wie spannend. »Nein, bin ich nicht. Das nächste Mal kannst du also ruhig reinkommen.«
»Okay, werd ich tun. Na dann, genieße dein Eis und ich wünsch dir noch einen schönen Abend.«
»Das wünsche ich dir auch, Sven. Und hab nochmals vielen Dank!«
Sie zündete eine Kerze an und begann, genüsslich ihr Eis zu verzehren, dabei schlug sie das Tagebuch wieder auf. Das Date. Woher hatte sie plötzlich die verrückte Idee für ein Treffen auf einem Zimmer gehabt? War sie verrückt geworden? Sie zermalmte die letzten M&M’s zwischen ihren Zähnen und resümierte nochmals: Sie würde also einen verheirateten Mann, mit dem sie ein paar Zeilen im Chat gewechselt hatte, von dem sie praktisch nichts wusste, den sie noch nie gesehen oder dessen Stimme nie gehört hatte, in einem pechrabenschwarzen Hotelzimmer in einer Stadt, mehrere Hundert Kilometer von Zürich entfernt treffen. Na, wenn das nicht Abenteuer pur war … Oder dumm, naiv, gefährlich? Es war ein Leichtes für ihn, sie dort festzuhalten. Was dann alles geschehen konnte, daran wagte sie nicht zu denken. Aber sie konnte das Bild nicht verdrängen und sah im Geiste dabei zu, wie sie in einem Designertrolley aus dem Hotel gezogen wurde, getreu der Filmszene aus ›American Psycho‹. Und nicht an einem Stück. Vielleicht hatte er das von Anfang an geplant. Vielleicht hatte FEUER33 nur darauf gewartet, eine Dumme wie sie zu finden.
Nun erschauerte sie. Und sie hatte es selbst vorgeschlagen!
Maira beugte sich über das Tagebuch und schrieb ihre Gedanken nieder. Sie würden ja in einem mehr oder weniger öffentlichen, oder zumindest bekannten Gebäude sein, da konnte nichts passieren und wenn sie schrie, würde man sie sofort hören. Tatsächlich? Wer würde ihr Geschrei denn wahrnehmen? Die Leute im Zimmer nebenan? Und wenn der Raum nicht belegt war? Heftige Zweifel beschlichen sie und Maira fragte sich ernsthaft, ob sie ihn nicht doch besser an der Bar treffen sollte. Aber nach dem kühnen Vorpreschen nun einen Rückzieher zu machen, wäre ziemlich peinlich. Und da waren ja noch die Zimmermädchen, die ständig mit ihren Wagen in den Gängen herumwanderten. Außerdem hatte das Hotel eine Videoüberwachung. Außer in den Zimmern natürlich. Oder nicht? Und wieso um Himmels willen war die lässige Fassade wichtiger für sie als ihre eigene Sicherheit?
Während ihre Hand die beunruhigenden Gedanken aufs Blatt kritzelte, nistete sich ein anderes Gefühl bei ihr ein. Ein Lustgefühl. Wenn man einmal
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