Blind Date mit Folgen - Roman
hatte sich im Vorfeld bewusst keine Gedanken dazu gemacht, nun wünschte sie sich wenigstens einen kleinen Plan. Der fehlte. 207.
Sie wollte auf keinen Fall morgens neben ihm aufwachen. Jenem peinlichen Moment, wenn irgendwann das Licht eingeschaltet würde oder das Tageslicht durch die Gardinen drang, wollte sie unbedingt entgehen. Dann wäre das ganze Versteckspiel umsonst gewesen. Sie beschloss, dass ein Abgang um Mitternacht die beste Zeit war. Falls sich nichts Unvorhergesehenes ankündigte.
Zimmernummer 211 zog an Maira vorbei und sie schritt weiter.
Sie würde klopfen, eintreten und dann …? Wo sollte sie sich hinsetzen? Bloß nicht auf das Bett, das wäre zu offensichtlich, und da wäre sie ihm viel zu nahe, aber wollte sie das nicht eben …?
Ja schon, möglicherweise vielleicht auch nicht!
Ihre Gedanken überschlugen sich und der Verstand drohte einen Moment lang auszusetzen. Sie verspürte den starken Drang, umzukehren, doch da war 215. Die Tür war angelehnt. Sie fuhr sich nochmals durch die Haare, klopfte kurz und trat ein.
19
Verdammt! Ausgerechnet jetzt musste sie im Stau stecken. Deborah lenkte ihr Audi-Cabrio durch den dichten Verkehr von Potsdam zum Flughafen Berlin Tegel. Sie war gerade bei ihren Eltern vorbei gefahren um Michel abzuliefern. Alex hatte sich am späteren Nachmittag schon auf den Weg gemacht, aber ihr waren noch mehrere Abend-Flüge für die Verfolgung geblieben. Nun würde sie die Maschine um 18:10 Uhr verpassen und die nächste nehmen müssen, aber zum Glück flogen sie teilweise fast stündlich nach München und der 19:25-Uhr-Flieger würde ihr reichen. Der Flug dauerte etwas über eine Stunde und mit der anschließenden Fahrt in die City würde sie um circa 21:45 Uhr im Hotel eintreffen.
Sie trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad. Eigentlich spielte es gar keine Rolle, wann sie ankam, die Nacht war lang und sie hatte viel Zeit, die beiden in flagranti zu erwischen. Ihr Magen krampfte sich wieder zusammen, bis es schmerzte. Warum nur? Warum! Sie wollte es herausschreien. Von allen Männern hätte sie das zuletzt von ihrem Ehemann, von ihrem Alex, erwartet. Sie hatte doch immer geglaubt, ihn zu kennen. Aber dachten das nicht alle von ihren Ehepartnern? Wenn sie ihm so vertraute, warum war sie ihm dann ins Golfzentrum nachgefahren und hatte kontrolliert, ob er wirklich mit Michel in den Zoo ging? Warum hatte sie seit ihrem Streit am Sonntag begonnen, heimlich seine Chats zu lesen? Es war so einfach gewesen, denn Alex hatte mehr als einmal vergessen, sich auszuloggen. Wenn sie es sich recht überlegte, war sie eigentlich nicht erst in den letzten Tagen skeptisch geworden, wenn er sich im Arbeitszimmer einschloss, sondern seit geraumer Zeit. Nur hatte sie das leichte Ohnmachtsgefühl, wenn er sich – statt sich zu ihr und seinem Sohn zu gesellen – hinter den Computer klemmte, stets erfolgreich verdrängt. Wann genau er begonnen hatte, ihr auszuweichen, konnte sie nicht sagen. Dass sie nur noch zwei- bis dreimal im Monat – statt wie früher drei-, viermal die Woche – miteinander schliefen, war nur ein Zeichen. Und der wenige Sex lag nicht an ihr, er war es, der oft müde von der Arbeit nach Hause kam oder über Migräne klagte, was eigentlich ihre Rolle sein sollte. Die Ausnahme war am Sonntag, wo er seine Schroffheit wegen des Ferienstreits wieder gutmachen wollte. Genau dann aber hatte sie überhaupt keine Lust auf ihn verspürt. Und es war nicht so, dass sie ihn an dem Abend wegen den Ferien mit Sexentzug unter Druck setzen wollte, wie er vielleicht gedacht hatte. Nein, sie war wirklich nicht in der Stimmung gewesen, mit ihm zu schlafen.
Natürlich schlich sich in jede längere Beziehung die Gewohnheit ein, man machte gröbere Phasen durch und fiel nicht mehr jede Nacht übereinander her, ganz klar. Und sie war Realistin genug zu wissen, dass die Geburt eines Kindes selbstverständlich einen Erotikdämpfer bedeutete, denn seither war es kaum mehr möglich, uneingeschränkten, spontanen Sex zu haben. Aber bis vor wenigen Monaten war das alles kein Problem gewesen. Dass da etwas schieflief, stand für sie außer Zweifel.
Deborah warf einen Blick in den Rückspiegel und sah die Autoschlange hinter sich. Sie schaltete das Radio aus, denn Michael Jacksons ›I just can’t stop loving you‹ war jetzt fehl am Platz.
Eigentlich hatte sie sich in vielerlei Hinsicht immer zu den glücklichen Menschen gezählt. Soweit sie zurückdenken konnte, war sie bei den wichtigen
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