Blind Date mit Folgen - Roman
Nachmittag wieder da.
Feuer
Also doch. Er hatte die Antwort herbeigesehnt. Die Täuschung war geglückt. Sven saß mit dem Laptop am Wohnzimmertisch und las die soeben eingegangene Nachricht. Von seinem Platz aus sah er direkt auf die Tür zum winzigen Gästezimmer, dem einzigen abgetrennten Raum in seinem Loft. Eigentlich diente es als eine Art Abstellkammer, aber er hatte sie vor Jahren in ein Gästezimmer umfunktioniert, damit Maira bei ihm übernachten könnte. Er kaute angestrengt an seinen Fingernägeln.
Nachdem sie am späteren Morgen bei ihm Sturm geklingelt und ihm von ihrem Horrortrip erzählt hatte, fügten sich die Puzzleteile allmählich zusammen und in Svens Hirn nahm ein perfider Plan Form an. Mit größter Genugtuung über den verdorbenen Abend mit FEUER33 hatte er der absurden Geschichte gelauscht, die besser war als jeder Krimi. Er sollte sich mindestens die Filmrechte daran sichern. Welch groteske Szene musste sich gestern im Hotel abgespielt haben. Vor seinem geistigen Auge sah er Maira zaghaft die Lobby betreten, hübsch zurechtgemacht und total angespannt. Er konnte ihre Aufregung förmlich riechen. Und plötzlich erkannte sie in ihrem Chattypen den Mann, den sie einst heiraten wollte und den sie für tot hielt. Der Hammer! Armes Ding. Wer hätte so etwas gedacht? Der Israeli war doch durch eine Explosion getötet worden, bei lebendigem Leib verbrutzelt wie ein Steak auf dem Grill. Nur zu gut erinnerte sich Sven an das Hochgefühl, das er empfunden hatte, als Maira ihm am Telefon von Israel aus davon berichtete. Er blickte auf seine zerkauten Fingernägel und holte die Nagelschere aus der Küchenschublade. Dann setzte er sich wieder hin.
Was war geschehen? Sein Tod war also nur vorgetäuscht gewesen? Aber weshalb? Er musste etwas zu verbergen gehabt haben: Verbrechen, Erpressung, vielleicht Mord …? Welcher Strafe wollte der Israeli entgehen? Sven konnte es sich nicht zusammenreimen, doch er würde alles daran setzen, es herausfinden.
Er begann, die kantigen Ecken seiner Fingernägel gerade zu schneiden. Plötzlich glitt die Schere an seinem Zeigefinger ab und Sven schnitt sich in die Haut. Er stieß einen stummen Schrei aus und schleuderte die Schere voller Wut über den Tisch. Am Kopfende blieb sie liegen. Er steckte den blutigen Finger in den Mund, es schmeckte metallisch und bitter. Obwohl er bei der Arbeit täglich Blut sah, widerte ihn sein eigenes an. Den Finger in ein Taschentuch gewickelt, ging er zum Erste-Hilfe-Kasten im Wandschrank. Er horchte kurz auf Geräusche aus dem Gästezimmer, aber es blieb still. Da der Schnitt nicht sehr tief war, genügte ein Pflaster.
Zurück am Tisch las er wieder die Nachricht von FEUER33 alias Yaron Sadit. Maira, Maira. So aufgelöst hatte er sie noch nie erlebt und nie zuvor war sein sexuelles Verlangen nach ihr größer gewesen. Am liebsten hätte er auf der Stelle mit ihr geschlafen, zerbrechlich wie sie war, vielleicht benötigte sie einfach herrlichen Sex mit ihm, um zu realisieren, zu wem sie wirklich gehörte.
Natürlich war nichts dergleichen geschehen. Brav hatte er sie mit einer Tasse heißer Ovomaltine ins Gästezimmer geleitet, wo sie kurz darauf eingenickt war. Zuvor hatte sie ihn wissen lassen, dass sie FEUER33/Yaron auf gar keinen Fall im Chat aufsuchen und die Situation klären wollte – auch nicht um der Wahrheit willen. Sie wolle nur so schnell wie möglich alles vergessen.
Das war sein Zeichen gewesen, er hatte beschlossen, sich selbst einzuloggen und sich als SECRETS auszugeben. Nur so konnte er an den Israeli herankommen, der Chat war sein einziger Draht und er witterte seine Chance für die lang ersehnte Rache.
Kurz nachdem sie eingeschlafen war, war er zu Mairas Wohnung gefahren, um dort nach ihren ›Room2Chat‹-Passwort zu suchen. Da ihr Laptop nicht passwortgeschützt war, brauchte er nur ›Room2Chat‹ zu öffnen, und bei zwei möglichen Passwörtern – Yaron oder Pacino – hatte er mit dem letzteren Erfolg gehabt. Wie fantasievoll. Er hätte sich den Weg ins Seefeldquartier sparen können.
Da er schon einmal hier war, schickte er FEUER33 in SECRETS’ Namen ein paar kurze Zeilen, dann brauste er in hohem Tempo nach Hause. Er wollte unbedingt zurück sein, wenn sie aufwachte.
Nun war es kurz vor 16 Uhr. FEUER33s Reaktion hatte er in dieser Form erwartet. Wie berechenbar und dumm die Menschen doch waren. Mit der Antwort würde er sich Zeit lassen.
Während Sven über sein Vorgehen nachdachte,
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