Blind-Date um Mitternacht
sollst sie nicht belügen.”
“Und du hast mir auch versprochen, mir ein bisschen Zeit zu lassen. Wenn du dich an unseren ursprünglichen Plan gehalten und den heimlichen Bewunderer gespielt hättest, wäre all das nie passiert.”
“Ich bin nicht gut in diesen Dingen, und das weißt du. Susan hätte mich nur anzusehen brauchen, um zu wissen, dass das Konfekt von mir war. Und dann hätte ich dagestanden wie ein Vollidiot.”
“Eher wohl wie ein Romantiker.”
“Der ich nicht bin. Und damit wäre ich dann da, wo du jetzt bist.”
Da hatte er wohl nicht ganz Unrecht. Aber diese Einsicht half Nick auch nicht weiter. Ein Gefühl der Panik begann ihn zu beschleichen. Er musste etwas unternehmen. “Ich sollte zu ihr gehen.”
“Zu Susan?”
Sein Unmut wuchs. “Natürlich nicht zu Susan!” In einer nervösen Geste strich er sich durchs Haar. “Sie hasst mich schließlich, nicht? Ich meinte Josie.”
“Weißt du, wo sie wohnt?”
“Ich kenne das Gebäude, aber ich weiß nicht, welches ihr Apartment ist.” Er warf Bob einen hoffnungsvollen Blick zu. “Könntest du mir nicht die genaue Adresse besorgen?”
“Vergiss es. Susan denkt sowieso schon, ich interessierte mich für Josie und nicht für sie. Wenn ich sie jetzt nach Josies Adresse frage, wird sie sich in ihrer Intuition bestätigt fühlen und mich nicht einmal mehr grüßen, wenn ich Pech habe.”
“Was für ein Durcheinander!” Nick ließ seine geballte Faust auf Bobs Schreibtischplatte prallen. “Susan will, dass du mit Josie ausgehst, aber du willst Susan. Ich will Josie, aber sie glaubt, ich wäre Bob und bemühte mich um ihre Schwester.” Er stöhnte bei dem Gedanken, wie verletzt und benutzt sich Josie fühlen musste. Wahrscheinlich hasste sie ihn sogar, was er ihr nicht einmal verübeln konnte. In ihren Augen hatte er sich wie ein kompletter Schuft benommen.
“Was sollen wir also tun?”
Nick schloss für einen Moment die Augen. “Du kannst Susan nicht nach Josies Adresse fragen, weil sie sonst glaubt, du interessiertest dich für ihre Schwester. Ich kann sie nicht darum bitten, weil sie sie mir niemals geben würde. Wahrscheinlich bleibt mir gar nichts anderes übrig, als von Tür zu Tür zu gehen, um festzustellen, wo sie wohnt.”
“Soll das ein Scherz sein?”
Nick warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. “Hast du eine bessere Idee?”
“Möglicherweise schon. Ich erinnere mich, dass Susan eine Frau erwähnte, die im selben Haus wie Josie wohnt. Sie wollte sich wegen einer preiswerten Anzeigenkampagne für ein kleines Geschäft, das sie erst kürzlich eröffnet hat, beraten lassen. Sie könnte dir wahrscheinlich sagen, welches Apartment Josies ist.”
Nick rieb sich die Hände und spürte, wie diese merkwürdige Panik endlich ein wenig nachließ. Jetzt würde sich alles aufklären. Keine Frau hatte ihn je so aus dem Gleichgewicht gebracht, er wusste bloß nicht, wie er darauf reagieren sollte, das war alles. Er brauchte nur ein bisschen Zeit. “Gib mir ihre Telefonnummer.”
“Ich habe etwas Besseres.” Lächelnd überreichte Bob ihm eine pinkfarbene Visitenkarte. “Das ist ihre Adresse. Soviel ich hörte, kennt sie Josie ziemlich gut. Sie wird dir sicher helfen können.”
Sämtliche Bewohner des Apartmenthauses waren im Laufe des Tages irgendwann vorbeigekommen, um ihn anzustarren. Aber Nick hatte ihre Blicke unbeirrt erwidert. Die Leute waren jedoch im Vorteil, weil die meisten von ihnen ohnehin nicht viel sehen konnten, so dass es nicht halb so unangenehm für sie war, angestarrt zu werden, wie für ihn. Vorausgesetzt, dass sie ihn überhaupt wahrnahmen. Einige von Josies Nachbarn trugen sehr dicke Brillengläser, und die meisten von ihnen hatten wässrige, müde wirkende Augen.
Und kein einziger von ihnen war unter siebzig.
Eine Zeit lang hatte er vor Josies Tür gewartet und war dann in den Garten hinausgegangen. Aber da er dort noch viel mehr Aufmerksamkeit erregte, setzte er sich schließlich in den Wagen.
Wo, zum Teufel, steckte Josie nur? Mrs. Wiley, die weißhaarige alte Dame, die ihre “Golden Goodies”-Hauspartys für Senioren annoncieren wollte, hätte nichts dagegen gehabt, wenn er bei ihr gewartet hätte. Aber er hatte mit einer gemurmelten Entschuldigung die Flucht ergriffen, weil er momentan gar nicht in der Lage war, über irgendein geschäftliches Projekt zu reden. Mrs. Wiley hatte es sogar geschafft, ihm noch einen ihrer Kataloge in die Hand zu drücken, bevor er ging, doch bisher hatte er
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