Blind ist der, der nicht lieben will
hob dann seine Hand, um ihm einen hauchzarten Kuss in die Innenfläche zu drücken. „Ich weiß, dass du Angst vor Beziehungen hast, auch wenn ich nicht verstehe, warum das so ist. Vielleicht erzählst du es mir eines Tages. Vielleicht auch nicht. Wie gesagt, du oder keiner.“ Tristan trat einen Schritt von ihm zurück und streckte die Hand aus. „Ich werde dich niemals drängen. Du allein triffst deine Entscheidung. Und jetzt lass uns bitte ins Hotel zurückgehen. Ich bin müde und brauche dringend eine Dusche, denn ich habe nicht vor, wie ein übervoller Aschenbecher stinkend ins Bett zu gehen.“
Nick schaute ein paar Sekunden auf die ausgestreckte Hand, dann ergriff er sie. Er war ein Arschloch und ein feiges Schwein dazu, sich Tristan gegenüber aus Angst so schäbig zu verhalten, und es war ihm unbegreiflich, wieso der trotz allem an ihm festhielt. War es das, was die Liebe ausmachte? Dass Tristan, weil er ihn liebte, selbst solch ein Verhalten und so einen, in seinen Augen, wirklich derben Charakterfehler, verzeihen konnte? Nick runzelte die Stirn. Wenn ja, hatte er in seinem bisherigen Leben eine Menge wichtiger Dinge nicht gelernt.
Wie erwartet, machte Nick in den nächsten Stunden kein Auge zu. Sein Kopf dröhnte von dem, was heute passiert war und er ertappte sich immer wieder aufs Neue dabei, wie er zu Tristan hinüber sah, der seelenruhig neben ihm schlief, was er schon so oft getan hatte und doch war es heute wie das allererste Mal. Irgendwie kam es ihm vor, als hätten sie ihre jahrelange Freundschaft mit dem Gespräch auf dem Gehsteig vor dem Club praktisch auf Null heruntergefahren und Nick wurde das ungute Gefühl nicht los, dass da sehr bald noch etwas Gewichtiges nachkam.
Er glaubte Tristan, dass der ihn nie zu etwas zwingen würde, nur half Nick das auch nicht sonderlich dabei, seine innere Anspannung loszuwerden, die ihn schon bei ihrer Rückkehr ins Hotel überfallen hatte, wo Tristan sofort unter die Dusche und danach ins Bett verschwunden war. Sein Blick fiel erneut auf den schlanken Körper neben sich. Nick betrachtete Tristan, soweit dessen hochgezogene Bettdecke es zuließ, lauschte den gleichmäßigen, tiefen Atemzügen und fragte sich, ob er stark genug war, um zu ertragen, was auch immer da gerade im Anmarsch war.
Tristan seufzte im Schlaf und drehte ihm das Gesicht zu. Träumte er? Nick strich ihm mit der Hand ganz behutsam über die Wange, was Tristan lächeln ließ, bevor er sein Gesicht im Schlaf nah an seine Handfläche schmiegte, was ihn fast dazu gebracht hätte, seine Hand wieder wegzuziehen, aber was konnte Tristan für seine im Schlaf rein instinktive Handlung? Und solange Tristan schlief, konnte er ihn wenigstens nach aller Herzenslust anschauen und berühren, ohne sofort ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Genau das tat er dann auch ausführlich, denn bei Tristan gab es eine Menge zu sehen. Die schmale Nase, seine hohen Wangenknochen, die wunderschönen hellblauen Augen, die er gerade natürlich nicht sehen konnte, die ihn an Tristan und auch an Connor allerdings von Anfang an fasziniert hatten, die ersten Falten um eben jene Augen herum, die jetzt wo Tristan schlief kaum zu sehen waren und dazu sein braunes Haar, das die perfekte Länge hatte, um seine Finger darin zu vergraben. Abgerundet wurde das Bild von etwas spröden Lippen, die praktisch zum küssen einluden und einem Körper, der im Augenblick einige Kilo mehr vertragen könnte, aber was das betraf, konnten sie sich die Hand reichen und für Nick war es auch nicht von Belang.
In seinen Augen war Tristan einfach nur schön und einen Moment lang war er ernsthaft versucht, ihn aus dem Schlaf zu reißen, weil er seinem plötzlich heftigen Drang nachgeben und Tristan küssen wollte, aber schon im nächsten Augenblick war Nick heilfroh, dass Tristan schlief, denn sonst hätte er nicht den Mut gehabt, ihm zu sagen, was er unbedingt sagen wollte.
„Ich liebe dich auch“, flüsterte er und strich Tristan behutsam über die langen Wimpern, was den im Schlaf kurz zucken ließ, dann lag er wieder still. „Du bist so perfekt...“ Nick musste über sich selbst lächeln. Er hörte sich an wie ein zum ersten Mal verliebter Teenager, und irgendwie, so verrückt es klang, war er das ja auch. „Für mich bist du es jedenfalls. Ich wünschte, ich wäre so wie Dan oder Con, dann könnte ich dir auch sagen und vor allem zeigen, was ich für dich empfinde, aber ich kann es nicht. Du musst jemanden finden, der das kann.
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