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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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über das Rauschen des East Rivers hinweg kaum hören konnte.
    »Ich bin fürchterlich froh, dass wir es getan haben, Schatz. Du hast es doch auch getan, oder?«
    »Nein«, antwortete ich.
    »Aber ja! Ich habe es doch gespürt.«
    »Du hast ein wenig von der Flüssigkeit gespürt, die fast immer dabei austritt. Ich war die ganze Zeit über so kalt wie ein Stein.«
    »Ach …« Sie war enttäuscht. »Na, egal. Wir probieren es wieder. Morgen vielleicht, wenn ich es einrichten kann. Ich habe schon über ein paar Möglichkeiten nachgedacht, und ich wette, dann wirst du es auch tun!«
    »Vergiss es«, erwiderte ich. »Ich habe das heute Abend über mich ergehen lassen, aber noch mehr Peinlichkeiten ertrage ich nicht. Ich hasse es, wenn mir etwas peinlich ist, und wenn ich etwas hasse, dann aber richtig.«
    »Ach, sei still. Es wird dir nicht peinlich sein, denn beim nächsten Mal wird alles gut.«
    »Es wird nicht alles gut«, entgegnete ich. »Es wird kein nächstes Mal geben.«
    »Ach, nein?«
    »Nein.«
    »Jetzt hör mir mal zu, Allen Smith …« Josie sprach mit fester Stimme und wurde lauter. »Das Einzige, was es nicht weiter geben wird, ist mit anderen Mädchen. Die Experimentiererei, von der du mir vorhin erzählt hast. Und wenn ich andere Mädchen meine, dann denke ich da vor allem an Lizbeth Hadley.«
    »Lizbeth Hadley?«, fragte ich. »Wie kommst du auf den Gedanken, ich könnte mich für sie interessieren?«
    »Weil sie sich dir andauernd an den Hals wirft, und so etwas finden Jungs nun mal schmeichelhaft. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie schon sexuelle Erfahrungen gemacht hat. Ich weiß zwar nichts Konkretes, aber ich bin mir sicher – ein Mädchen spürt so etwas an der anderen. Außerdem ist da etwas ganz, ganz Komisches an der Art, wie sie und ihr Bruder miteinander umgehen, wenn sie glauben, dass ihnen keiner zusieht.«
    »Meine Güte!«, sagte ich. »Du willst doch sicherlich nicht andeuten, dass ein Mädchen und ihr eigener Bruder – das meinst du doch nicht wirklich, oder?«
    Josie zögerte und sagte dann, ich solle es vergessen. Mich nicht weiter fragen, was sie gemeint habe. »Halt dich nur von ihr fern, Allen. Von ihm auch, die beiden sind ja eh immer zusammen. Ich weiß schon, du wirst mal nicken und Hallo sagen müssen – so etwas –, aber du darfst nichts mit Lizbeth Hadley anfangen.«

13.
    In jener Nacht schlief ich sehr schlecht. Der Tod des Sanders-Babys war mir so unwirklich vorgekommen, dass es fast keinen Eindruck bei mir hinterlassen hatte, als ich davon erfuhr; erst Stunden später, als ich allein in der dunklen Wohnung war, setzte die Reaktion richtig ein. Ich versank kurz in Schlaf, schreckte dann auf, stöhnte oder jammerte laut. Ich setzte mich im Bett auf, wiegte mich, von Gewissensbissen gequält, vor und zurück, und weinte, bis mir die Tränen ausgingen.
    Ein kleines Baby. Ich hatte ein kleines Baby getötet! Ein Unfall, natürlich, aber …
    Aber stimmte das denn? War denn nicht Mutter dafür verantwortlich, fast so, als habe sie mich gegen den Kinderwagen geschubst, sodass das Baby auf den Gehweg stürzte? Wenn sie mich nicht ständig in einem solchen Aufruhr halten würde, wenn ich weniger mit dem Chaos beschäftigt gewesen wäre, das sie mir an jenem Tag eingebrockt hatte, tja, dann hätte ich den Kinderwagen noch früh genug gesehen und den Zusammenstoß vermeiden können.
    Mutter war schuld daran. Wie auch an allem anderen Schlimmen, das mir und all denen, die mit mir zu tun hatten, widerfahren war. Wenn sie in diesem Augenblick bei mir gewesen wäre, dann hätten sich meine Hände um ihren Hals geschnürt …
    Ich dachte darüber nach. Ich würde auf ihren nackten Brüsten hocken und sie langsam … langsam erwürgen. Wenn sie dann fast leblos wäre, würde ich den Griff lockern und sie wieder Luft holen lassen, bis sie sich erholt hätte. Dann würde ich erneut zudrücken und sie an den Rand zur Ewigkeit befördern, bevor ich sie wieder Luft holen lassen würde. Und immer so weiter.
    Ich würde sie immer und immer wieder umbringen. Fast umbringen. Sie würde sterben und doch am Leben bleiben, nur um erneut zu sterben: genau das Schicksal, das sie mir auferlegt hatte. Und ständig würde ich mich während des ganzen Vorgangs »wieder mit ihr versöhnen«. Ich würde ihr die Zärtlichkeit der Folter zuteilwerden lassen, die Liebe, die Hass war.
    Küssen und sich versöhnen …
    Ich lachte, lachte und schluchzte im Halbschlaf der Erschöpfung, während

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